Süddeutsche Zeitung

Online-Shopping:Amazon plant nach "Prime now" bereits die nächste Offensive

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Von Stefan Mayr, München

Für die einen ist es der Anfang vom Untergang des Abendlandes. Für die anderen nur ein Marketing-Gag, der mehr oder weniger wirkungslos verpuffen wird. Seit Mittwoch bietet der Internet-Konzern Amazon auch in München seinen Turbo-Service "Prime now" an. Im Stadtgebiet können Bestellungen innerhalb einer Stunde zugestellt werden.

Allerdings ist dieses Angebot nicht ganz billig: Wer die Ware sofort an die Tür haben will, muss erstens "Prime"-Mitglied sein und zweitens 6,99 Euro pro Bestellung zahlen. Dennoch löst die Offensive unter den Einzelhändlern der Stadt Unruhe aus: "Das trifft den stationären Handel schon ins Mark", sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbandes Bayern (HBE).

Muss der Münchner Einzelhandel Angst vor dem mächtigen Konkurrenten aus Seattle/USA haben? Es gibt auch entspannte Reaktionen auf die Aktivitäten. "Das ist eine pure Luftnummer", sagt Wolfgang Fischer, Geschäftsführer der Initiative City-Partner von Unternehmen der Münchner Innenstadt. Das Ganze bringe Amazon vor allem "kostenlose Werbung, um seine Prime-Abos zu verscherbeln". Ob sich der Service zu den Kosten dauerhaft durchsetze, bleibe abzuwarten.

Der Handelsreferent der IHK für München und Oberbayern, Georg Osterhammer, sieht die Amazon-Offensive ebenfalls einigermaßen entspannt. Er spricht zwar vom "hohen Anpassungsdruck", den neue Angebote wie Express-Lieferungen auf den stationären Handel ausüben.

Aber grundsätzlich hätten Münchens Geschäfte "beste Voraussetzungen", auf diese Herausforderungen zu reagieren. Aufgrund der großen Kaufkraft der Stadt liege der Umsatz pro Einzelhandelsfläche 25 Prozent über dem Durchschnitt der sieben größten deutschen Metropolen. Laut Osterhammer legen die Umsätze im Münchner Einzelhandel eher zu.

Werden die traditionellen Geschäfte und der US-Konzern in München also nebeneinander existieren können? Oder werden Läden doch gezwungen sein zu schließen? "Noch bietet Amazon nicht das volle Sortiment", sagt Bernd Ohlmann vom HBE, "und der Preis ist schon eine hohe Hürde." Im Übrigen ist Ohlmann überzeugt, dass Amazon irgendwann einen stationären Shop in München eröffnen wird.

Den Service gibt es nach Berlin jetzt auch in München

Seit Mittwoch ist der neue Konkurrent im Herzen der Stadt angekommen. Wo einst das Zentralpostamt der Stadt residierte, in der sogenannten Hopfenpost beim Hauptbahnhof. Hier hat Amazon unbemerkt ein 2200 Quadratmeter großes Verteilzentrum eingerichtet. Dort sind etwa 60 Mitarbeiter im Schichtbetrieb von 8 bis 23 Uhr tätig. Unterstützt wird Amazon auch von alteingesessenen Traditions-Unternehmen.

Die Bäckerei Rischart liefert zweimal täglich Semmeln und Brote, die von der Hopfenpost weiterverschickt werden. Bedenken wegen der Zusammenarbeit mit dem US-Riesen hat Geschäftsführer Magnus Müller-Rischart nicht: "Wir sehen den Onlinehandel von regionalen Lebensmitteln als große Möglichkeit, unseren Kunden ein schnelles und unkompliziertes Einkaufen zu allen Tageszeiten zu ermöglichen." Das neue City-Lager ist Amazons dritter Logistik-Standort im Großraum München. Seit Anfang 2016 steht in Olching ein Verteilzentrum, das für die Lieferung am selben Tag ("Same Day Delivery") zuständig ist.

Dort arbeiten 130 Amazon-Mitarbeiter plus 200 Kurierfahrer, die für eine Handvoll externer Dienstleister tätig sind. Eine dieser Firmen, Interkep, betreibt in Aschheim ein eigenes Verteildepot, um die Bestellungen schneller in den Osten der Stadt liefern zu können. Amazon durchdringt also bereits die Stadt, in der nicht nur die Deutschlandzentrale des Konzerns sitzt, sondern in der auch viele gut verdienende Menschen leben. Neben dem Ein-Stunden-Service bietet Amazon auch die Zustellung innerhalb eines Zwei-Stunden-Zeitfensters an. Dieses Angebot gilt auch in den Landkreisen rund um die Stadt und ist für "Prime"-Kunden kostenlos.

Nach der Turbo-Lieferung steht bereits die nächste Offensive von Amazon-Seite bevor: Schon in den nächsten Tagen soll in der Stadt die erste Packstation "Amazon Locker" in Betrieb gehen. Derartige Schrankwände mit Schließfächern gibt es bislang nur von DHL. In ihnen können Kunden Pakete anliefern lassen oder Retouren abgeben.

Nach SZ-Informationen werden in München noch in diesem Jahr gleich drei verschiedene derartige Stationen stehen: Neben DHL und Amazon will auch die Firma Parcellock im Herbst eine Packstation errichten. Parcellock ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Logistiker DPD, GLS und Hermes. Ihr System soll für alle Paketdienste offen sein.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2016
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