Süddeutsche Zeitung

Interview am Morgen: Klimaschutz:"Es kann jeder vor Ort handeln"

Lesezeit: 3 min

Ein Kurs an der Volkshochschule zeigt, wie sich das Klima im Alltag schützen lässt. Viel braucht es nicht, damit Einzelne in der Summe eine Menge CO₂ einsparen, sagt Umwelt-Ingenieurin Renate Treffeisen.

Interview von Jakob Wetzel

Die Münchner Volkshochschule macht ein neues Angebot: Von diesem Jahr an können Interessierte lernen, was sie zu Hause tun können, um das Klima zu schützen. WWF Deutschland und der Helmholtz-Forschungsverbund REKLIM (Regionale Klimaänderungen und Mensch) haben gemeinsam einen Kurs namens "klimafit" entwickelt. In München soll es diese Kurse künftig regelmäßig geben. Renate Treffeisen ist Klimawissenschaftlerin im Helmholtz-Forschungsverbund. Sie erklärt, was jeder tun kann und warum auch viele kleine Schritte einen Unterschied machen können.

SZ: Mit Ihrem Kurs wollen Sie den Klimawandel lokal angehen, vor der eigenen Haustür. Was kann denn die oder der Einzelne ausrichten?

Renate Treffeisen: Der Klimawandel ist ein globales Problem, aber er prägt sich regional sehr unterschiedlich aus. Das Klima in Bayern zum Beispiel wird künftig wohl wärmer und trockener sein, und in den Alpen schmelzen die Gletscher. An der Küste dagegen geht es mehr um den steigenden Meeresspiegel und um Stürme. Deshalb ist es uns ein Anliegen, den Klimawandel auf die Region herunterzubrechen, in der die Kurse stattfinden. Und es kann jeder vor Ort handeln. Wir haben im Kurs zum Beispiel die sogenannte "klimafit Challenge" eingeführt, das sind 15 Klimaschutz-Maßnahmen, die sich leicht in den Alltag einbauen lassen. Jeder Beitrag für sich gesehen ist klein, aber wenn man sie auf die Gesamtbevölkerung hochrechnet, zeigt sich, dass jeder Beitrag eine große Wirkung hat.

Zum Beispiel?

Eine Maßnahme ist, sich während der Dauer des Kurses zum Beispiel einen Tag in der Woche vegetarisch zu ernähren. Oder man sagt: Ich fahre jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit, jetzt schaue ich mal, ob ich mit jemand eine Fahrgemeinschaft bilden kann.

Setzen die Kursteilnehmer das denn zu Hause tatsächlich um?

Wir haben im Kurs eine gute Rückkopplung. Es gibt Gruppenarbeiten an verschiedenen Kursabenden, bei denen man bespricht, was es für Hemmnisse gab oder was Spaß bei der Umsetzung der "klimafit Challenge" gemacht hat. Das motiviert, am Ball zu bleiben. Im vergangenen Jahr haben wir so mit den Teilnehmenden etwa 4,3 Tonnen CO₂ eingespart. Und das, obwohl wir den Kurs wegen der Corona-Pandemie online zu Ende führen mussten.

Der Kurs richtet sich an Multiplikatoren. Wen haben Sie dabei im Blick?

Uns ist wichtig, dass jeder in den Kurs kommen kann, den das Thema interessiert, denn es kann jeder zum Multiplikator werden. Aber wir möchten natürlich auch Menschen ansprechen wie Landwirte, Architekten oder Mitarbeiter, die in Firmen oder Behörden mit dem Klimawandel zu tun haben. Die können das, was sie im Kurs lernen, in ihre Arbeitswelt zurücktragen und dort als Multiplikator wirken. Wir haben auch Lehrkräfte im Kurs, auch dort funktioniert diese Multiplikator-Rolle gut.

Am Ende steht der Appell: Geht raus und verbreitet das Wort?

Wir begleiten dieses Projekt mit einer sozialwissenschaftlichen Forschung, und deswegen wissen wir, dass wir tatsächlich etwas bewegen, was in das berufliche und private Umfeld der Teilnehmenden hineinwirkt. Es ist ja klar: Wenn Sie im Kurs gesehen haben, um wie viel trockener die Böden in Deutschland werden, sprechen Sie daheim und im Beruf darüber mit anderen. Häufig bilden sich nach dem Kurs sogenannte "klimafit Stammtische" - so vernetzen sich die Menschen durch den Kurs, und er kann weit darüber hinaus wirken.

Wie geht es weiter?

Unser Ziel ist, den Kurs deutschlandweit an noch mehr Standorten zu realisieren. Wir haben 2018 an sechs Standorten in Baden-Württemberg angefangen, vergangenes Jahr gab es 34. In drei Jahren möchten wir an 120 bis 180 Volkshochschulen sein. Ob das klappt, hängt auch von der Finanzierung ab. Wir werden bisher von zwei großen Stiftungen gefördert, von der Robert-Bosch- und der Klaus-Tschira-Stiftung. Lokal vor Ort gibt es dann weitere Unterstützer wie in München die Sparda-Bank.

Was erhoffen Sie sich?

Wir gehen davon aus, dass jede kleine Maßnahme zählt. Aber natürlich geht es um mehr. Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir müssen handeln - und wir brauchen einen Wandel in der Gesellschaft. Wir müssen unsere Sichtweise auf bestimmte Dinge ändern. Das können wir nur, indem wir das trainieren und es wollen.

Der Kurs findet erst einmal nur online statt. Vernetzen ist da schwierig.

Der Kurs ist als Präsenzkurs konzipiert. Das Zusammensein mit anderen und die Impulse, die sich daraus entwickeln, sind ein großes Plus des Kurses. Wir mussten im vergangenen Jahr auf Online-Kurse umstellen, aber wir haben es geschafft, aus den Präsenzabenden viel Elan mitzunehmen. Wir hoffen, dass wir später wieder auf Präsenzkurse umsteigen können.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2021
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