Süddeutsche Zeitung

"Mobilitätsstrategie 2035" verabschiedet:Freie Fahrt für alle?

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FDP und CSU stimmen im Münchner Stadtrat dagegen: zu unkonkret, das "Thema verfehlt". Tatsächlich soll das Mobilitätskonzept noch ausgearbeitet werden - und die Öffentlichkeit daran beteiligt.

Von Andreas Schubert, München

Die Stadt München wächst. Bis zum Jahr 2029 soll die Zahl der Einwohner von aktuell rund 1,6 Millionen auf 1,7 Millionen wachsen. Und je voller die Stadt wird, desto schwieriger wird es für die Einwohner, umweltfreundlich und schnell von einem Ort zum anderen zukommen. Fest steht für Mobilitätsreferent Georg Dunkel, dass private Autos dafür nicht zukunftsweisend sind. Schon heute sind die Straßen häufig verstopft, die öffentlichen Verkehrsmittel waren vor der Corona-Pandemie regelmäßig überfüllt und werden auch jetzt allmählich wieder voller.

Der oberirdische öffentliche Nahverkehr, also Busse und Trambahnen, kommen zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Ecken der Stadt wegen des Autostaus auch nur langsam voran. Und sollte die Zahl der Autos auf den Straßen weiterhin mit der Zahl der Einwohner wachsen, wird es schon in ein paar Jahren eine dauerhafte Rushhour geben.

Mit der neuen "Mobilitätsstrategie 2035", die der Mobilitätsausschuss des Stadtrats am Dienstag gegen die Stimmen von CSU und FDP verabschiedet hat, will die Verwaltung Lösungen entwerfen, die letztlich auf eine neue Nutzung des öffentlichen Straßenraums abzielen. Denn der Platz in der Stadt ist nun einmal begrenzt. Man brauche eine Strategie mit "klaren Leitplanken" sagte Dunkel. Es gehe dabei um die Lebensqualität jedes einzelnen.

Das Mobilitätsreferat listet 19 Bausteine auf, die es in fünf Kategorien eingeteilt hat und für die nun konkrete Maßnahmen erarbeitet werden sollen. Zur Kategorie "Umweltverbund" gehören der öffentliche Verkehr, der Radverkehr, die geteilte und vernetzte Mobilität. In die Kategorie "KFZ-Verkehr" fallen der motorisierte Individualverkehr, die Steuerung des Verkehrs und der Wirtschaftsverkehr. Unter "Räumliche Integration" sind das Management des öffentlichen Raums, der Fußverkehr sowie Mobilitätskonzepte in Städtebau und Stadtsanierung sowie und die Region und ihre Pendler zusammengefasst.

Zur "Nachhaltigkeit" zählen Klima- und Umweltschutz inklusive Elektromobilität, die Verkehrssicherheit, die soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Inklusion und die Krisenstabilität. Unter "Innovation" fallen die Digitalisierung, Forschung und Innovation inklusive autonomes Fahren, die Kommunikation inklusive Öffentlichkeitsarbeit, Beteiligung, Bildung und Beratung - und letztendlich die Finanzierung.

Die recht vage klingenden Schlagwörter sollen den Rahmen für Inhalte bilden, die alle dazu beitragen sollen, die Mobilität der Zukunft zu gestalten. Denn bis 2025 sollen 80 Prozent des Verkehrs abgasfrei abgewickelt werden, bis 2035 will die Stadt dann klimaneutral sein. Weiteres Ziel ist die "vision zero" - null Verkehrstote im Straßenverkehr. Wenig überraschend ist dabei die Forderung, dass der öffentliche Nahverkehr massiv ausgebaut werden muss, damit er eine hohe Erreichbarkeit von Zielen garantiert und bis zum Jahr 2030 auf einen Anteil am Gesamtverkehr (modal split) von 30 Prozent kommt. Doch die Ziele werde die Stadt nur erreichen, wenn sie dabei eng mit der Region zusammenarbeitet, so Dunkel.

Mobilitätskongress während der IAA

Der CSU waren die Ausführungen Dunkels zu unkonkret. Fraktionsvorsitzender Manuel Pretzl sprach von einer "Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen" und einer "Themaverfehlung". Dies sah man in der grün-roten Rathausregierung anders. Andreas Schuster (SPD) erklärte, nun beginne ein Prozess, in dessen Rahmen binnen eines Jahres messbare Ziele erarbeitet werden sollen. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) sprach von einem "wichtigen Startschuss" für die Verkehrsplanung.

Die vertiefte Ausarbeitung der Mobilitätsstrategie 2035 soll unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden. Im September wird sie unter anderem Thema des Mobilitätskongresses sein, den die Stadt anlässlich der Messe IAA Mobility veranstaltet. Nächstes Jahr wird die endgültige Beschlussfassung dem Stadtrat vorgelegt.

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SZ vom 16.06.2021
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