Süddeutsche Zeitung

Polizei in München:Angriffe auf in der Stadt lebende Ukrainer

Lesezeit: 3 min

Die Polizei berichtet von mehreren Fällen seit Kriegsbeginn. Pro-russische Demos gab es in München aber noch nicht.

Von Martin Bernstein

Mindestens sechs Attacken auf in München lebende Ukrainer oder auf Unterstützer des von Putins Truppen überfallenen Landes hat die Münchner Polizei seit Kriegsbeginn registriert. Das hat der Staatsschutz des Polizeipräsidiums auf SZ-Anfrage bestätigt. In mindestens einem Fall ermittelt die Kriminalpolizei wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten gegen einen 40 Jahre alten Deutschen.

Der Mann hatte am Abend des 5. April auf dem Gärtnerplatz Mitarbeiter eines Infostandes einer Organisation zur Ukraine-Flüchtlingshilfe attackiert. Dabei stieß der alkoholisierte Angreifer einen 27-Jährigen gegen den Oberkörper und verletzte ihn leicht. Außerdem warf er eine Getränkedose auf einen 30-Jährigen. Der wohnsitzlose 40-Jährige beschädigte den Infostand, pöbelte gegen ukrainische Staatsangehörige und billigte hörbar den russischen Angriff auf die Ukraine. Dabei rief er Nazi-Parolen. Der Angreifer, der nach Polizeiangaben persönlich keinen direkten Bezug zur Russischen Föderation hat, kam in Untersuchungshaft. Er muss sich wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte, Sachbeschädigung, Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten.

Wer den russischen Angriffskrieg auf das Nachbarland öffentlich billigt, macht sich in Deutschland strafbar - etwa durch das Zurschaustellen des von russischen Truppen benutzten Symbols "Z". Darauf haben in den vergangenen Tagen bayerische Regierungsmitglieder hingewiesen. Wer eine Straftat - und dazu gehört das Führen eines Angriffskriegs - "in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (...) billigt", dem droht das Strafgesetzbuch Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren an.

Die Frankfurter Polizei etwa hatte deshalb anlässlich eines pro-russischen Autokorsos kürzlich klargestellt, dass Slogans wie "Donbass gehört zu Russland" oder das Zeigen von Flaggen der ehemaligen Sowjetunion oder der Separatistengebiete bereits einen Anfangsverdacht begründen. Die Münchner Polizei will sich soweit nicht in die Karten schauen lassen. "Hier ist immer eine Prüfung des jeweiligen Einzelfalls notwendig", heißt es auf Anfrage. "Wichtig sind dabei auch die jeweiligen Auflagen, die im Versammlungsbescheid erlassen wurden." Bisher seien in München jedoch noch keine pro-russischen Versammlungen angemeldet worden.

Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine hat die Münchner Polizei weitere Angriffe auf in der Stadt lebende Ukrainer, deren Geschäfte oder Fahrzeuge registriert. Am 28. Februar wurde nach Angaben eines Polizeisprechers ein 20-Jähriger an der Haltestelle Studentenstadt von dem Fahrer eines Linienbusses beleidigt. Ein 68-jähriger Ukrainer zeigte am 4. März eine Sachbeschädigung an seinem geparkten Auto im Bereich der Heidemannstraße an. Zwischen 12. und 14. März wurde eine Schaufensterscheibe eines ukrainischen Lebensmittelgeschäfts im Bereich der Sonnenstraße beschädigt. In der Nacht zum 23. März wurde der Wagen einer 32-jährigen ukrainischen Staatsangehörigen mit Fäkalien verunreinigt und eine angebrachte Flagge entwendet. Nur zwei Tage später wurden im Bereich des Carl-Orff-Bogens die Reifen am geparkten Auto eines Ukrainers beschädigt.

Das Tor des russischen Generalkonsulats wurde mit roter Farbe beschmiert

In einem pro-russischen Telegram-Kanal wird zudem kaum verhohlen zur Schändung des Grabes des 1959 in München ermordeten ukrainischen Nationalistenführers Stepan Bandera aufgerufen. Das in der Vergangenheit mehrmals beschädigte Grab, eine Wallfahrtsstätte ukrainischer Nationalisten, wird von der Münchner Polizei überwacht. Seit Kriegsbeginn wird es von Bandera-Verehrern immer wieder neu geschmückt, Übergriffe gab es bisher nicht.

Dokumentiert ist dagegen eine Attacke gegen das russische Generalkonsulat in der Maria-Theresia-Straße in Bogenhausen. Am Samstag nach Beginn des Ukraine-Krieges warfen mehrere Personen Flaschen auf das Gelände. Dabei wurde ein Fenster beschädigt. Das Eingangstor war mit roter Farbe beschmiert. Polizisten konnten einen 28-jährigen Münchner als Tatverdächtigen festnehmen. Auf ihrer Homepage fordert die diplomatische Vertretung Russen dazu auf, "Diskriminierung von in Deutschland lebenden russischsprachigen Bürgern" per E-Mail oder Telegram zu melden.

Die Russische Botschaft überhöhe auf ihrer Homepage und in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag "StopHatingRussians" offenbar bewusst das tatsächliche Ausmaß von Übergriffen oder Diskriminierungen zum Nachteil russischstämmiger Menschen in Deutschland und greife auf nicht überprüfbare Behauptungen zurück, warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz. So vermeldet die Homepage der Botschaft: In München seien "Fahnen und Plakate mit Beleidigungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin" gezeigt worden.

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