Süddeutsche Zeitung

Politik in Müchen:Stadtmuseum kritisiert grün-rote Stadtregierung scharf

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Denn die hat wegen der Corona-Krise entschieden, die Sanierung des Museums um Jahre zu verschieben. Das komme einem Aus für das Projekt gleich, erklärt dessen Direktorin Frauke von der Haar.

Von Susanne Hermanski

Frauke von der Haar hat die schlechte Nachricht am vergangenen Freitag aus der Zeitung erfahren. Die Sanierung des Münchner Stadtmuseums, dessen Direktorin sie ist, wird um sechs weitere Jahre verschoben, mindestens bis 2026. Das hat die grün-rote Stadtregierung beschlossen, um Geld zu sparen und so der Corona-Krise zu begegnen. "Diese Entscheidung ist in meinen Augen eine Katastrophe und eine öffentliche Degradierung des Stadtmuseums", sagt von der Haar. Dass überall im Land nun große Sparzwänge bestehen, stellt sie nicht in Abrede. Dennoch müsse den Verantwortlichen klar sein, welche Folgen das für bisher schon geleistete Investitionen bedeute.

"Die Verschiebung auf so lange Zeit kommt einem Aus für die Generalsanierung gleich. Die jahrelange Vorarbeit von Mitarbeitern des Hauses, des Kulturreferats und des Baureferats wird damit in die Tonne getreten." Denn sowohl was das erarbeitete Ausstellungskonzept des Museums als auch was die Technik in dem Gebäude anbelangt, werde man in sechs Jahren wieder vollkommen neu denken müssen und anderen Anforderungen unterliegen. "Solche Pläne legt man nicht einfach sechs Jahre in die Schublade und holt sie dann wieder heraus", sagt von der Haar, "schon ohne diese Verschiebung war die Wiedereröffnung erst auf 2029 terminiert. Wenn man dann erst beginnt, ist die Welt in dieser Stadt eine andere".

Dabei waren wenigstens die Vorbereitungen nach einer 21 Jahre währenden, oftmals kritisch kommentierten Planungsphase nun endlich in ein sehr konkretes Stadium getreten. An diesem Montag wollte Frauke von der Haar mit ihren Mitarbeitern besprechen, wer in welche Räume des bereits angemieteten Interimsgebäudes für die Verwaltung ziehen würde. Im Herbst 2019 hatte sie der Öffentlichkeit das Konzept "Stadtmuseum unterwegs" vorgestellt, mit dem das Museum die geplanten sieben Jahre der Schließung überbrücken wollte. Stattdessen stehen die Direktorin und ihre Mannschaft nun vor einem Scherbenhaufen. Oder genauer gesagt, sie sitzen in einem schwer maroden Denkmal, in der teuersten Innenstadtlage Münchens.

Dort bröckelt der Putz und im Sommer werden ganze Abteilungen geschlossen, weil es für Besucher schlicht zu heiß wird. Ob den Exponaten diese Hitze bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Im Winter schnellen dafür die Heizkosten in die Höhe, "weil durch die undichten Siebziger-Jahre-Fenster gleich noch der ganze Sankt-Jakobs-Platz mitgeheizt wird", sagt von der Haar. Sie hat erst im Januar die Stelle als Direktorin des Hauses angetreten. Als Nachfolgerin von Isabella Fehle, die ihrerseits schon speziell für die Sanierung der Hauses geholt worden war und nach zehn Jahren unverrichteter Dinge in den Ruhestand ging.

Frauke von der Haar war stets bewusst, dass sie die Wiedereröffnung des Hauses in ihrem Amt nicht mehr miterleben würde. Denn die 59-Jährige hätte selbst vor der Wiedereröffnung die Altersgrenze erreicht. Vorgesehen war, dass sie und ihr Team bis Ende 2022 die 700 000 Kunstwerke und Objekte, die im Stadtmuseum ausgestellt sind, packen und mit ihnen ausziehen aus den historischen Gebäuden in der Innenstadt. Weil es kein eigenes Interimsquartier für das Haus geben sollte, wären die Sammlungen und ihre Kuratoren mehr als sieben Jahre lang auf Wanderschaft durch ganz München gegangen und womöglich auch darüber hinaus. Das Konzept "Stadtmuseum unterwegs" sah vor, Kooperationen mit anderen Museen einzugehen. "Die können auch außerhalb Münchens oder Bayerns liegen, ich bin gut vernetzt", sagte von der Haar, die zuletzt in Bremen gearbeitet hatte, bei der Präsentation. Wer weiß, mit welchen Vorlaufzeiten Museen ihre Ausstellungen planen, der ahnt, wie viele Kooperationen nun wieder abgesagt werden müssen.

Als ehemalige Direktorin des Bremer Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte (genannt "Focke-Museum"), fürchtet von der Haar auch einen weitreichenden Imageschaden für das Münchner Stadtmuseum durch die jetzige Entscheidung. "Diese Entscheidung wird deutschlandweit wahrgenommen werden", sagt sie. Nachdem andere, weniger wohlhabende Städte wie Frankfurt und Berlin ihre kommunalen Häuser in den vergangenen Jahren auf Vordermann gebracht hätten, blicke nun alles nach München. "Immerhin ist so ein Stadtmuseum das historische Gedächtnis einer Stadt." Und München habe bis auf zwei Maßnahmen vor 13 Jahren am mittelalterlichen Zeughaus und im Grässeltrakt nicht auf dessen Verfall reagiert. Im Gegenteil, die Pläne von Auer/Weber für einen wichtigen Erweiterungsbau am Entree sind bereits bei einer Kürzungsrunde vor fünf Jahren wieder eingedampft worden.

Frauke von der Haar hat den Eindruck, man lasse sie und ihr Team nun "ohne Perspektive" zurück. "Dabei ist den Kopf in den Sand zu stecken keine Lösung", sagt sie.

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SZ vom 22.07.2020
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