Süddeutsche Zeitung

Achter Regierungsbezirk:Wie groß möchte Markus Söder München machen?

Lesezeit: 3 min

Von Heiner Effern, Martin Mühlfenzl, Stefan Simon und Wolfgang Wittl, München

Die Frage ist: Wie will Markus Söder München haben? Oder genauer: Wie groß will er es machen? Darum dreht sich alles, seit der Ministerpräsident am Mittwoch sagte, Bayern solle einen achten Regierungsbezirk bekommen: den Regierungsbezirk München.

An Definitionen, was mit München gemeint sein könnte, mangelte es schon bisher nicht: M-Kennzeichen gibt es in der Stadt und im Landkreis München; der Flughafen München liegt im Erdinger Moos, der Flughafen München-West gar in Memmingen. Es gibt eine Planungsregion und eine Metropolregion München. Die eine reicht bis in die Kreise Ebersberg, Erding, Freising, Dachau, Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg am Lech. Die andere dehnt den München-Begriff noch weiter: auf beinahe das komplette Oberbayern sowie Teile Schwabens und Niederbayerns.

Söders München wird kleiner ausfallen, so viel ist sicher. Aber wie klein? Wird am Ende tatsächlich nur die Landeshauptstadt aus dem bisherigen Regierungsbezirk Oberbayern herausgelöst? Der Ministerpräsident sagt dazu am Donnerstag nur knapp: "Wir bleiben bei unserem Vorschlag." Doch nicht einmal die Münchner CSU gäbe sich damit zufrieden. Der Verteilungskampf hat begonnen. Wie sollte man das Wachstum und die Entwicklung Münchens "mit Maß klug beschleunigen", wie der Ministerpräsident es wünscht, wenn die Zuständigkeit der neuen Behörde an der Stadtgrenze endet? Der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle legte sich schnell fest: "Praxistauglich" sei die Idee unter diesen Umständen nicht.

München hat sich schon lange aus seinen Grenzen gelöst, Beispiele dafür sind der Ausbau des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds und die Zusammenarbeit von Stadt und Umland beim Schul- und Wohnungsbau. In der CSU gibt es sowohl Sympathie für als auch deutliche Kritik an Spaenles Forderung, dass ein Regierungsbezirk München am besten gleich die ganze Planungsregion umfassen müsse. Der Münchner Landrat Christoph Göbel unterstreicht das: "Kommt es zu einem Bezirk nur aus der Stadt München, wäre das aus heutiger Sicht nur mit Nachteilen verbunden", warnt er. "Stadt und Umland müssen enger zusammenarbeiten, eine solche Entwicklung würde uns aber nur nach hinten werfen."

Auch in der CSU-Landtagsfraktion hört man, Spaenle liege nicht falsch mit seinem Vorschlag. Fraktionschef Thomas Kreuzer allerdings findet, eine Lösung allein für die Landeshauptstadt dränge sich auf. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das ausdehnen kann", sagt er. Oberbayern sei ein riesiger Bezirk mit gewaltigen strukturellen Unterschieden. Man könne so passgenauer arbeiten. Das Innenministerium und eine noch zu bildende Kommission müssten nun alles prüfen - auch Spaenles Vorschlag. Darauf legt Landrat Göbel großen Wert: "Es muss ergebnisoffen diskutiert werden. Wenn als Ergebnis jetzt schon feststeht, die Grenze um die Landeshauptstadt zu ziehen, braucht es die Prüfung und die Kommission nicht."

OB-Kandidatin Kristina Frank sieht "eigentlich nur zwei sinnhafte Alternativen: Stadt oder Stadt plus Landkreis". Beides habe seine Berechtigung, die Vor- und Nachteile müssten abgewogen werden, sagt sie. "Eines ist jedenfalls klar: Die Herausforderungen Münchens hören nicht an der Stadtgrenze auf." Innenminister Joachim Herrmann stellt wenig später klar, es sei Zielvorgabe Söders, dass die Landeshauptstadt "in ihren eigenen Grenzen ein eigener Regierungsbezirk wird". Es gebe aber keine Denkverbote, sagt er, die Kommission könne auch zu einem anderen Schluss kommen.

Hin- und hergerissen ist nicht nur die CSU. Der gesamte Vorstoß Söders und insbesondere auch die angedachten Grenzen kommen den Münchner Grünen auch am Tag nach der Präsentation noch "wahnsinnig undurchdacht" vor, sagt OB-Kandidatin Katrin Habenschaden, die zudem Fraktionsvorsitzende im Stadtrat ist. Bei dem wenigen, was man wisse, sei die Grenze um die Stadt München herum aber das erste, was man als unzureichend gesehen habe. "Bei allen großen Themen empfinden wir es gerade als Manko, wenn wir in starren Stadtgrenzen und nicht in der Region denken." Weder die Luft noch das Wasser, der Verkehr oder die Menschen orientierten sich daran. Und auch die Politik längst nicht mehr. Habenschaden erinnert an das Gymnasium in Karlsfeld, das die Stadt gebaut habe, an die Pendler, an die gemeinsamen Wohnungsbaukonferenzen mit der Region. "Der Vorschlag passt nicht dazu, wie wir bereits interkommunal zusammenarbeiten."

Die Grünen in Oberbayern dagegen lehnen "die von MP Söder vorgeschlagene Zerstückelung Oberbayerns" ab, kategorisch, wie sie mitteilen. "Dem Wahlkämpfer Söder gehen anscheinend die Ideen aus, die Vorschläge werden immer absurder", sagt die Vorsitzende Agnes Krumwiede. "Oberbayern ist ein historisch und kulturell gewachsener Raum, dessen Hauptstadt München integraler Bestandteil dieses Regierungsbezirks ist. München gehört zu Oberbayern!"

Von Oberbürgermeister Dieter Reiter ist auffallend wenig zu hören. Er will sich auch am Donnerstag nicht äußern. SPD-Chefin Claudia Tausend sagt, sie halte eine Beschränkung des neuen Bezirks auf die Stadtgrenzen für unsinnig: "Wenn nicht mindestens der Landkreis München dazugehören würde, wäre das nicht zeitgemäß." Aus verschiedenen Quellen ist allerdings zu hören, die Staatsregierung befinde sich bereits in Gesprächen mit Reiter. Aus der CSU heißt es, der OB stehe Söders Plänen "nicht ablehnend" gegenüber.

Es häufen sich Hinweise auf ein denkbares Modell: München könnte auch gleich die Aufgaben des Bezirkstags übernehmen. Das ist eine der vielen offenen Fragen, die seit Mittwoch diskutiert werden. Könnte es neben den vorgestellten Plänen für eine Reform der Staatsverwaltung auch eine der politischen Gremien geben? Während die Bezirksregierung administrativ tätig ist und im Auftrag der Staatsregierung handelt, ist der Bezirkstag ein weiteres von den Bürgern gewähltes Gremium. In seine Zuständigkeit fallen unter anderem Einrichtungen für Psychiatrie und Suchtkranke, die überörtliche Sozialhilfe oder die Kultur- und Heimatpflege. Übernähme der Stadtrat diese Aufgaben, entfiele die Bezirksumlage. Viel Geld bliebe in der Landeshauptstadt.

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SZ vom 17.01.2020
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