Süddeutsche Zeitung

Bildung in Corona-Zeiten:Piazolo besucht Münchner Schule

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Nach Vorwürfen, es herrsche "digitales Chaos", war der Kultusminister im Wilhelmsgymnasium zu Gast. Die Schule ist gut ausgestattet, aber den Notendruck merken die Schüler auch hier.

Von Jakob Wetzel

Es sei ein angenehmes Gespräch gewesen, sagt der 15-jährige Patrick. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) habe sich bei den Schülerinnen und Schülern erkundigt, wie es ihnen in diesem Schuljahr bisher ergangen sei, er habe einen freundlichen Eindruck gemacht, sagt der Elftklässler vom Münchner Wilhelmsgymnasium. Auch für den Minister wird das Gespräch erfreulich gewesen sein, denn die Schüler hatten hier eher Gutes zu berichten. Das war für ihn zuletzt anders.

In der vergangenen Woche musste sich Piazolo harsche Vorwürfe anhören: An den Schulen herrsche "digitales Chaos", hatten Eltern- und Schülerverbände in Brandbriefen geklagt. Es fehlten Konzepte, und Lehrkräfte würden eine Prüfung nach der anderen schreiben lassen, um vor der nächsten Schulschließung möglichst viele Noten beisammenzuhaben. Piazolo hatte diese Kritik unmittelbar zurückgewiesen. Jetzt wollte er von Schülerinnen und Schülern selber hören, was sie umtreibt.

Die Wahl fiel auf eine gut ausgestattete Schule. Das Wilhelmsgymnasium ist vor zwei Jahren renoviert und auch digital auf Vordermann gebracht worden. Sie kämen "gut klar", findet denn auch Patrick. Der hiesige Elternbeirat hält die Brandbriefe für unpassend; so etwas sollte das letzte Mittel sein, sagt dessen Vorsitzender Patrick Rosenow, und Piazolo sei doch gut ansprechbar. Über Einzelnes könne man reden. Zum Beispiel fände er es gut, die Abiturienten bei ihren Prüfungen von der Maskenpflicht auszunehmen, sofern sie ausreichend Abstand halten können. Die Maskenpflicht sei hier ansonsten kein großes Thema, sagt die stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende Susanne Schottenhamel.

Den Notendruck aber merken die Schüler auch hier. Einzelne Klausuren seien vorgezogen worden, sagt Patrick. Sein Mitschüler Soufian, 16, erzählt, er habe zuletzt am Mittwoch und am Freitag Klausuren geschrieben, am Donnerstag dazwischen habe er ein Referat gehalten. So eine Ballung habe es vorher nicht gegeben. Dass einzelne Prüfungen vorverlegt wurden, bestätigt Schulleiter Michael Hotz - aber nicht aus Furcht vor dem Lockdown. Man habe vielmehr eine spätere Ballung vermeiden wollen. In den ersten vier Wochen habe es zudem keine Prüfungen gegeben. Die Schüler hätten diese Schonzeit auch gebraucht.

Also alles gut? Nein, sagt Minister Piazolo. Er nehme die Sorgen ernst, das Bild sei unterschiedlich. An vielen Schulen höre er, es sei im Bereich des Normalen. Aber es gebe auch andere Beispiele; dort müsse man nachschärfen. Man müsse immer wieder prüfen, ob man in diesem Jahr die gleichen Leistungen verlangen könne wie sonst.

Am Wilhelmsgymnasium hat Piazolo keine Klagen über den Notendruck gehört: Sie hätten das Thema nicht angesprochen, sagen Patrick und Soufian. Mit dem Minister hätten sie darüber gesprochen, wie sie gefährdete Familienmitglieder schützen könnten, und auch über mobile Geräte, die Coronaviren aus der Luft filtern sollen. Die Hoffnung ist, mit solchen Raumluftreinigern im Winter, wenn es draußen kalt ist, weniger oft lüften zu müssen. Schulleiter Hotz würde das gerne ausprobieren, der Freistaat zahlt Zuschüsse. Die Stadt München aber lehnt deren Anschaffung ab.

Piazolo hatte zuletzt an die Stadt appelliert, dies zu überdenken; er wolle auf sie zugehen, wiederholte er am Mittwoch. Die Stadt freilich wiederholte ihrerseits ihre Bedenken. Der Nutzen der Geräte zur Infektionsprävention sei nicht nachgewiesen, und ihr Einsatz werde weder an der Maskenpflicht noch an der Pflicht zum Lüften etwas ändern. Zudem fördere der Freistaat die Geräte nur, wenn Räume nicht ausreichend durch Fenster oder technische Anlagen belüftet werden könnten. Und solche Unterrichtsräume gebe es in Münchner Schulen gar nicht.

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SZ vom 12.11.2020
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