Süddeutsche Zeitung

Sommerspiele:München offen für erneute Olympia-Bewerbung

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Oberbürgermeister Reiter zeigt sich nach dem Erfolg der European Championships und Gesprächen mit dem Sportbund der Idee gegenüber "sehr aufgeschlossen". Allerdings nennt er mehrere Bedingungen.

Von Johannes Aumüller und Anna Hoben

Soll München sich erneut als Austragungsort für die Olympischen Spiele bewerben? Eine Mehrheit im Rathaus zeigt sich offen dafür. "Ich bin dieser Idee gegenüber sehr aufgeschlossen", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Montag. Auch Reiters Fraktion im Stadtrat, SPD/Volt, sieht eine erneute Bewerbung grundsätzlich positiv. Die Oppositionsfraktion von CSU/Freie Wähler beantragte am Montag, dass die Stadt sich "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" für die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Sommerspiele bewerben und sich dafür mit den entsprechenden Verbänden abstimmen solle. Der grüne Koalitionspartner im Rathaus indes ist skeptisch, ob eine Bewerbung eine gute Idee wäre.

OB Reiter stellt sich die Sache denn auch etwas anders vor als die CSU. "Die Bewerbung einzelner Städte für die Austragung der Olympischen Spiele ist nicht mehr zeitgemäß", sagte er. In den vergangenen Monaten sei er in "guten Gesprächen" gewesen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), der die Zukunft der Spiele in einem Verbund von drei oder vier Städten sehe, die ihre bereits vorhandene Infrastruktur einsetzen.

Und da habe München viel zu bieten, so Reiter, das hätten bereits die European Championships im Sommer "sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt". Die Sportveranstaltung, die neun Europameisterschaften nach München brachte, wurde in der Stadt als voller Erfolg gewertet. Seitdem ist immer wieder auch die Frage nach einer Olympia-Bewerbung aufgekommen. Moderne Spiele müssten das Thema Nachhaltigkeit ernst nehmen, sagte Reiter nun; nur dann hätten sie auch die Chance auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. "Sportstätten nutzen, die es bereits gibt, ist dabei eines der wichtigsten Kriterien."

Die Bevölkerung soll über eine Bewerbung entscheiden

Der DOSB hat nach insgesamt sieben gescheiterten Olympia-Anläufen vor einer Woche einen Prozess für eine neue Kandidatur auf den Weg gebracht. Der Sportdachverband will in den kommenden zwölf Monaten gemeinsam mit Politik und Zivilgesellschaft unter anderem in sogenannten Debattencamps erörtern, ob, und falls ja, wann und mit wem er sich das nächste Mal bewirbt. Bei der Mitgliederversammlung im Dezember 2023 soll eine konkrete Kandidatur verabschiedet werden.

Ganz erkennbar zielen die Überlegungen des DOSB auf ein dezentrales Konzept ab, also die Bewerbung mehrerer Städte gemeinsam. Der Sportdachverband versprach zuletzt, dass er ausschließlich auf vorhandene Sportstätten zurückgreifen wolle. Dies kann allerdings keine Stadt alleine gewährleisten. Neben München sind insbesondere Hamburg, Berlin und das Ruhrgebiet, die in den vergangenen Jahren allesamt Interesse bekundet hatten und teils sogar offizielle deutsche Kandidaten waren, als Teil eines solchen dezentralen Konzeptes im Gespräch.

Nach den bisherigen Darstellungen des DOSB soll 2024 zudem die Bevölkerung befragt werden und entscheiden, ob sie für eine Bewerbung ist. Der Zeitpunkt ist strategisch gewählt: Im Sommer 2024 finden nacheinander die Fußball-EM in Deutschland sowie Sommerspiele in Paris statt, die die normalste Olympia-Veranstaltung seit London 2012 werden dürften.

Von diesen beiden Veranstaltungen will der DOSB offenkundig profitieren, nachdem zuletzt zwei Bewerbungen von der Bevölkerung gestoppt worden waren: Münchens Kandidatur für Winterspiele 2022 ebenso wie die von Hamburg für Sommerspiele 2024. Auch diesem vorgeschlagenen Prozedere gegenüber zeigte Reiter sich aufgeschlossen. In den Gesprächen mit dem Dachverband habe er deutlich gemacht, dass es nur mit dem Zuspruch der Menschen gehe - und mit "Olympischen Spielen, die die berechtigte Kritik der letzten Jahrzehnte hinter sich lassen".

Die nächsten, noch nicht vergebenen Sommerspiele finden 2036 statt

Theoretisch ließ der DOSB zwar offen, ob es um eine Kandidatur für Winter- oder für Sommerspiele geht. Tatsächlich aber peilen viele Sportvertreter den Sommer an. Die nächsten drei Sommerspiele hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) bereits an Paris (2024), Los Angeles (2028) und Brisbane (2032) vergeben. Die nächsten bisher noch nicht vergebenen Spiele finden also 2036 statt.

Ob sich Deutschland ausgerechnet für das Event 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin als Bewerber positionieren sollte, ist schon seit Langem Teil heftiger Diskussionen. Auch gibt es verschiedene andere Bewerber für dieses Datum - unter anderem wird aus Katar Interesse vermeldet. Grundsätzlich möglich wäre auch eine Kandidatur für die Winterspiele 2034 oder 2038 oder für den Sommer 2040. Seit einer Reform des Vergabeprozesses gibt es beim IOC keinen festen Ablauf mehr, wann welche Spiele vergeben werden.

Die CSU hob in ihrem Antrag für eine Bewerbung am Montag auf den Erfolg der European Championships ab. Dieser "Rückenwind" solle genutzt werden: "München könnte zeigen, dass nachhaltige und moderne Spiele ohne den Gigantismus von diktatorisch geführten Staaten möglich sind." Auch vor dem Hintergrund der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft in Katar wären Olympische und Paralympische Spiele in München ein "wichtiges Signal, dass wir als demokratisches Land die ganz großen Sportveranstaltungen nicht nur Diktaturen überlassen".

Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) sagte, die European Championships seien "mit dem Gigantismus und dem Kommerz Olympischer Spiele nicht vergleichbar". Bislang sei das IOC jeden Beweis, die Olympischen Spiele und deren Vergabekriterien zu reformieren, schuldig geblieben. Deshalb müssten vor einer möglichen Bewerbung die Vor- und Nachteile für München "nüchtern und sachlich" abgewogen werden. Auch Grünen-Fraktionschef Dominik Krause sagte, für eine Festlegung auf eine Bewerbung sei es "ebenso zu früh wie für eine kategorische Ablehnung".

SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner sagte, ihre Fraktion stehe der Idee, Olympische Spiele im Verbund mit anderen deutschen Städten auszurichten, grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Wichtig sei aber, "dass die Münchnerinnen und Münchner sich das auch vorstellen können". Eine Grundvoraussetzung dafür sei, dass sich das IOC reformbereit zeigt und Spiele für den Sport und nicht für den Kommerz ermögliche.

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