Süddeutsche Zeitung

Bierpreis-Populismus:Geheimplan Fetzenrausch

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Neue Bierpreise machen das Oktoberfest 2022 zu einer teuren Angelegenheit. Eine Chance für die CSU, ihre absolute Mehrheit in Bayern zurückzuholen - vielleicht mit einem Tankrabatt.

Glosse von Andreas Schubert

Als man vor ein paar Tagen über die Theresienwiese spazierte und das Gerippe eines Zeltes mit der Aufschrift "Bräurosl" sah, dachte man sich zunächst: komischer Name für ein Corona-Testzentrum. Dann tauchten sie wieder auf, die unscharfen Erinnerungen an das Oktoberfest. Kurz kam Vorfreude auf - so lange, bis ruchbar wurde, dass die teuerste Mass Bier heuer 13,80 Euro kosten soll.

Die Nachricht haut einen fast aus den Haferlschuhen: In manchen Zelten wird die Mass - traditionell sind das auf der Wiesn etwa 0,8 Liter Bier - um zwei Euro teurer. Wer also 100 Mass trinkt, ist ratzfatz um 200 Euro mehr ärmer als noch vor drei Jahren. Und dabei bleibt es auch nur, wenn man sich zusammenreißt und sich auf nur zehn Wiesngänge beschränkt.

Im Augustinerzelt immerhin steigt der Preis nur um einsvierzig, da kann man sich dann an jedem der 17 Festtage zehn Mass gönnen und kommt dabei auf 238 Euro Differenz. Hält man sich an Oberbürgermeister Dieter Reiters Wiesn-Ansage "ganz oder gar nicht", wird es heuer also wieder eine recht kostspielige Gaudi werden. Die Preissteigerungen bei Hendln, Ochsensemmeln und Schokofruchtspießen halten die Beschicker noch unter Verschluss, um potenzielle Besucher nicht jetzt schon abzuschrecken.

Um dem vorzubeugen und angesichts der nächstes Jahr anstehenden Landtagswahl, soll die Staatskanzlei derzeit an einem Geheimplan basteln. Die Rede ist von einem Tankrabatt in den Bierzelten, der die CSU aus dem derzeitigen Umfragetief herausholen soll. Um das Preisniveau von 2013 zu erreichen, als die CSU zuletzt knapp die absolute Mehrheit einfuhr, soll jede Mass mit vier Euro subventioniert, die Finanzierung über ein "Sondervermögen Fetzenrausch" gesichert werden.

Um dem Koalitionspartner nicht das Feld zu überlassen und sich die Zustimmung von Apfelsaftschorletrinkern und anderen Abstinenzlern auf der Wiesn zu sichern, setzen sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und seine Freien Wähler für weitere Entlastungen ein - unterstützt von Münchens grün-roter Stadtregierung. Angedacht ist ein Neun-Euro-Ticket für Fahrgeschäfte. Ob dieses nur auf der Wiesn gelten soll oder auch auf anderen Volksfesten, und ob es dann die Nutzung von Wurf- und Schießbuden beinhaltet, darüber wird intern noch beraten. Experten zeigen sich allerdings skeptisch, ob das Neun-Euro-Ticket den Volksfesten nachhaltigen Zulauf bescheren wird. Letztlich, so der Tenor, sei das Angebot entscheidend. Hier sei die Wiesn noch ausbaufähig.

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