Süddeutsche Zeitung

Klimaprotest:Die "Letzte Generation" verpfeift sich selbst bei der Staatsanwaltschaft

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Aktivisten kleben Fahndungsplakate von sich ans Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft in München. Mit der satirischen Aktion machen sie sich über die Abhörmaßnahmen der Ermittler lustig.

Von Martin Bernstein und Bernd Kastner

Es ist kurz nach neun am Donnerstagmorgen, da steht die "Letzte Generation" vor der Tür der Münchner Generalstaatsanwaltschaft. Die Klimaaktivisten möchten gerne mit jemandem von der Strafverfolgungsbehörde sprechen und Infos über sich abgeben. Aber niemand meldet sich über die Sprechanlage, niemand öffnet. Also kleben die Aktivistinnen einige Plakate an die Fassade und die Türen, darauf die Info, wer zum Kernteam der Ökogruppe gehöre, die seit Monaten Straßen blockiert und die Regierungen zu mehr Klimaschutz drängt. Eine freundliche Hilfestellung für die Strafverfolgungsbehörde soll das sein, die den Verdacht hegt, dass es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handelt. Sie hat deshalb Wohnungen durchsucht und Telefone abgehört, auch Gespräche mit Journalisten.

Die Aktion an der Karlstraße ist als Satire gemeint. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte das Abhören mit dem Ziel begründet, die Strukturen der Gruppe "aufzuklären". Lars Werner, 31, klinischer Psychologe aus Göttingen und einer aus der Kerngruppe, erklärt die Botschaft der Aktion: Man mache schon lange alles transparent, eine einfache Google-Suche würde genügen, dann könnten die Ermittler der "Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus" Bescheid wissen. Konspirative Strukturen gebe es nicht bei der "Letzten Generation".

Die Aktion verläuft ruhig und heiter. Bald wimmelt der Hof des Bürokomplexes von Polizisten, alle bleiben entspannt, mancher Uniformierte grinst. Aus Nachbarbüros schauen Menschen aus den Fenstern, winken, klatschen. Der erste eingetroffene Beamte fragt die auf dem Boden sitzenden Aktivisten in den Warnwesten, ob sie sich festgeklebt hätten. "Wir sitzen bloß." Dann stellt er sie freundlich vor die Wahl: Wollten sie zur Aufnahme der Personalien ein paar Meter rüberkommen, oder solle man zu ihnen kommen? Es ist zehn Uhr, die Aktivisten wollen ohnehin Schluss machen für heute, also gehen sie gerne zu den Polizisten und reichen ihre Ausweise. Später meldet die Polizei, dass man gegen alle neun Aktivistinnen und Aktivisten ermittle wegen des Verdachts der Sachbeschädigung, falls die Plakate nicht rückstandslos abgehen, Nötigung, weil der Hausmeister die Türen verriegelt habe, und Hausfriedensbruch.

Auf einem ihrer Transparente steht die Forderung, dass die Politik den Artikel 20 des Grundgesetzes achten solle: "Leben schützen". Auf den Plakaten ist ein Foto von Aktivisten zu sehen, ein paar Screenshots von Internetseiten und ein SZ-Artikel. Womit sie denn die Plakate festgeklebt hätten, fragt der freundliche Beamte von vorhin. Mit normalem Tapetenkleister? Nein, mit Wasser und Mehl, Mehlpapp also.

Zwischen den Aktivisten und Plakaten sucht ein Sherlock Holmes mit Lupe nach verdächtigen Spuren. Ronja Künkler hat sich als Meisterdetektivin verkleidet, sie will die Staatsanwälte beim Ermitteln unterstützen: "Ich suche die Kerngruppe", sagt sie. "Es ist echt ein kniffliger Fall."

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