Süddeutsche Zeitung

Kinos in der Pandemie:"Mit 25 Prozent Saalauslastung machen wir Verlust, egal, was wir machen"

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Noch haben die Münchner Kinos geöffnet, viele Betreiber passen sich an die verschärften Corona-Regeln an. Auf einen neuerlichen Kultur-Lockdown bereitet man sich dennoch vor.

Von Bernhard Blöchl und Josef Grübl, München

Planbar ist nichts, aber eines steht fest: Wer in diesen Tagen ins Kino gehen möchte, vielleicht, um sich ein bisschen abzulenken von der allgemeinen Tristesse, der hat vielerorts die Möglichkeit dazu - vorausgesetzt, die Stadt bleibt unter der Sieben-Tage-Inzidenz von 1000. Die Lichtspielhäuser, das ergab eine kleine Umfrage der SZ, öffnen auch unter den seit Mittwoch geltenden 2-G-plus-Regeln, fristgerecht und konsequent. Heißt für Besucher: Wer den neuen James-Bond- oder Ghostbusters-Film noch nicht gesehen hat, kann dies nachholen, sofern er geimpft oder genesen ist und zusätzlich einen gültigen Test vorlegt sowie eine FFP2-Maske trägt.

Schmerzvoll für die Kinobetreiber ist vor allem die ebenfalls neue Auslastung von maximal 25 Prozent. "Die vorgegebene Kapazitätsbegrenzung geht an der Realität vorbei", findet Hans-Joachim Flebbe, der unter anderem die Astor Film Lounge im Arri betreibt. Anne Harder vom Neuen Maxim wird noch deutlicher: "Mit 25 Prozent Saalauslastung machen wir Verlust, egal, was wir machen." Außerdem fragt sie sich, ob es die Gäste auf sich nehmen werden, vorher noch zum Testen zu gehen. Die neuen Regeln, die sie "De-facto-Kultur-Lockdown" nennt, machten sie fassungslos. "Kinos haben immer wieder bewiesen, dass sie sichere Orte sind", es werde nicht gesprochen, es gebe Maskenpflicht, alle schauten in die gleiche Richtung, und es gebe leistungsstarke Lüftungsanlagen. "Wieso trifft es denn schon wieder nur die Kultur?

Noch größer ist die Aufregung nur darüber, dass es möglicherweise bald zum Kultur-Lockdown kommt, wenn München also die 1000er-Inzidenz überschreitet und alle Kulturhäuser schließen müssen. "Wir sehen natürlich die erhebliche Infektionsdynamik und wollen auch aus eigenem Interesse unseren Gästen ein sicheres Gefühl beim Kinobesuch vermitteln", führt Flebbe aus. In keiner Weise sei aber die Ankündigung nachvollziehbar, "bei weiter steigenden Infektionen erneut uns Kinomacher als Bauernopfer zu missbrauchen und unsere Kinos zu schließen". Und das, "obwohl Kinos nachweisbar nicht zu den Infektionstreibern gehören". Ein Punkt, den viele Kolleginnen und Kollegen unterstreichen. "Kino ist ein sicherer Ort", heißt es aus dem Cinemaxx, wo man den drohenden Lockdown ebenfalls bedauert.

Zur Unsicherheit infolge der Inzidenzzahl sagt Anne Harder: "Es ist sehr traurig und sehr frustrierend, wenn wir immer nur auf Sicht fahren können." Es gebe im Neuen Maxim nur ein reduziertes Programm. All das sei "eine Katastrophe, da der Herbst und Winter ja eigentlich beste Kinozeit ist und wir diese Einnahmen dringend bräuchten, um uns ein Finanzpolster für den Sommer zu erarbeiten".

Aus dem Werkstattkino, einer der kleinsten und alternativsten Spielstätten der Stadt, kommen Worte, die fast zynisch klingen: "Die Zuschauerzahlen sind seit Sommer im Keller, und da macht uns die 25-Prozent-Auslastung auch nicht zu schaffen. Mehr Leute kommen eh nicht", sagt Wolfgang Bihlmeier. "Schön wär's, wenn wir in München weiterhin unter 1000 bleiben würden, aber ich glaube nicht daran", ergänzt er. Und: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Als Zweckoptimist versucht sich Thomas Kuchenreuther, der die Schwabinger Kinos ABC und Leopold betreibt. Er freut sich über die vielen starken Filme des Kinojahres 2021, die Verleiher haben noch bis über den Jahreswechsel hinaus ein starkes Programm im Angebot. Sein Publikum schätze das sehr, sagt er, es habe das Leinwanderlebnis nach der langen Schließung im vergangenen Frühling und Winter vermisst und sei wiedergekommen. Jetzt muss es eben mit 2 G plus weitergehen, natürlich sei das schwierig - und für die Gäste ein lästiger Zusatzaufwand. Andererseits: "Vielleicht kommen ja jetzt wieder Leute zurück in die Kinos, denen es immer noch zu gefährlich war", sagt Kuchenreuther.

Sicher sei es auch schon vorher gewesen, die Regeln seien von den Gästen gut angenommen worden, sagt Gregory Theile, der unter anderem das Mathäser betreibt. Jetzt müsse er die Vorgaben der Politik umsetzen, die nicht einfach zu interpretieren seien, außerdem gelten in jedem Bundesland andere Regeln. Wäre ein eigenes Testzelt vor dem Mathäser sinnvoll? Derzeit nicht, sagt Theile, "da wir davon ausgehen, dass es sowieso bald zur Schließung kommt".

Skandalös findet er auch den bayerischen Umgang mit Jugendlichen: Zwölf- bis 17-Jährige dürfen nur dann ins Kino, wenn sie geimpft, genesen und zusätzlich getestet sind. In der Gastronomie gibt es Ausnahmen für sie, da die Impfung für diese Altersgruppe erst spät zugelassen wurde - im Kino, Theater oder Zoo müssen sie draußen bleiben. Da noch fast 60 Prozent von ihnen nicht geimpft sind, ergeben Filme für Jugendliche im Kino derzeit kaum Sinn. Es werde noch eine ganze Reihe von Filmstart-Verschiebungen geben, ist sich Gregory Theile sicher, "auch wenn es vielleicht noch nicht allen Filmverleihern klar ist, was da auf uns zukommt".

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