Süddeutsche Zeitung

Kabarett im Augustinerkeller:Noble Aufgabe statt politischer Abgrenzung

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Münchens-Alt-OB Ude und Bayerns Justizminister Eisenreich machen gemeinsam "Kabarett vor der Wahl". Muss das jetzt sein, fragt sich mancher Sozialdemokrat. Ministerpräsident Söder sollte vielleicht nicht zu genau hinschauen.

Von Roman Deininger

Zu den unverwechselbaren Kennzeichen der bayerischen Politik gehört das Phänomen, dass Politik und Satire praktisch nicht voneinander zu trennen sind. Selbst Ministerpräsident Markus Söder (CSU) macht aus seinen humoristischen Ambitionen ja keinen Hehl. Nicht von ungefähr antwortete kürzlich in Landshut ein Bierzeltbesucher auf die Reporterfrage, wie er Söders Wahlkampfrede so fand, dass in letzter Zeit eigentlich nur Monika Gruber noch witziger gewesen sei. Allerdings dient der Humor Söder - und ironischerweise auch der professionellen Komödiantin Gruber - meistens halt doch nur der politischen Abgrenzung. Und damit in den Augustinerkeller, wo der Humor am Montagabend endlich mal wieder seine nobelste Aufgabe erfüllen darf.

"Kabarett vor der Wahl" heißt der Abend, und um jede Fehlinterpretation kategorisch auszuschließen, informiert zu Beginn eine Durchsage den ausverkauften, bierseligen Saal recht explizit über die Idee dahinter: "Den drei Auftretenden ist es wichtig, das Verbindende aller Demokraten zu betonen", zumal in bewegter, in ernster Zeit. Bemerkenswert ist das vor allem deshalb, weil nur einer der drei sein Geld als Kabarettist verdient, nämlich Wolfgang Krebs, dessen Stoiber- oder Söder-Parodien schon jetzt ihren Platz im Satirekanon des Freistaats sicher haben. Die anderen beiden sind oder waren im Brotberuf Politiker, wobei Dieter Hildebrandt über Christian Ude (SPD) ja einst sagte, er sei "der einzige Kabarettist, der nebenher eine Großstadt regiert".

Der Altoberbürgermeister ist als Brückenbauer bekannt, wobei einige Münchner Sozialdemokraten sich dem Vernehmen nach schon gefragt haben, ob Ude mitten im Landtagswahlkampf ausgerechnet eine Brücke zu Georg Eisenreich bauen müsse, Söders Justizminister und CSU-Bezirkschef. Während Ude mit der Routine des Bühnenmenschen über das geheime und offenbar nervenaufreibende "Übungsprogramm für OBs" vor dem Wiesn-Anstich berichtet (30 mal Trockenübung am leeren Fass), ist es zweifellos Eisenreich, der sich im Augustinerkeller beweisen muss. Vor mehr als zwanzig Jahren hatte er erste Schritte als Nachwuchskabarettist unternommen, bevor er in die Politik abglitt.

Jetzt empfiehlt er Überlebensstrategien im Matratzenlager auf der Almhütte ("Wenn's scho stinkt, dann nach mir") und teilt die wichtigsten Erkenntnisse im Umgang mit Parteifreunden ("Alle halten zusammen. Es sei denn, einer ist in Not"). Eisenreich macht das ebenso leise wie charmant. Es ist ihm bloß zu wünschen, dass Markus Söder nie erfährt, dass der Ministerpräsident womöglich doch nicht der witzigste Mann im Kabinett ist.

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