Süddeutsche Zeitung

Auch Stammstrecke betroffen:Zugverkehr in München rollt wieder an - aber weiter Ausfälle und Verspätungen

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Am Hauptbahnhof in München hat die Bahn erste Gleise wieder freigegeben. Ein Oberleitungsschaden hatte den Zugverkehr komplett lahmgelegt. Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr waren betroffen. Die Reparatur ging schneller als geplant.

Von Katharina Haase, Anita Naujokat und Andreas Schubert

Nach dem massiven Oberleitungsschaden in Laim rollt der Zugverkehr langsam wieder an. Das teilte die Deutsche Bahn am späten Abend mit. "Züge des Fern- und Regionalverkehrs können den Hauptbahnhof wieder anfahren." Die Reparaturarbeiten seien schneller vorangekommen als geplant. Es komme allerdings am Abend weiterhin zu großen Beeinträchtigungen mit Verspätungen und Zugausfällen, hieß es.

Am Freitag soll der Fern- und Regionalverkehr mit Betriebsbeginn wieder weitestgehend normal rollen. Es könnten jedoch am Morgen noch vereinzelt Züge ausfallen. "Der S-Bahn-Verkehr auf der Stammstrecke bleibt noch bis in die Nachtstunden stark eingeschränkt", teilte die Deutsche Bahn weiter mit. Zum Betriebsstart sollen auch die S-Bahnen wieder regulär auf der Stammstrecke unterwegs sein. Ersten Erkenntnissen zufolge hatte ein Bagger bei Bauarbeiten für die zweite S-Bahn-Stammstrecke im Bereich München-Laim ein komplettes Quertragwerk, das die Oberleitungen über alle Gleise der Strecke spannt, beschädigt. Dadurch war die wichtige Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und München-Pasing stillgelegt.

Am Donnerstagmittag hatte am Hauptbahnhof absoluter Stillstand geherrscht. Anzeigetafeln am Bahnhof und den S-Bahnstationen zeigten Ausfälle bei nahezu allen angezeigten Zügen. Eine Ausnahme bildeten hierbei die Diesel-Züge der BRB ins bayerische Oberland, die laut elektronischem Fahrplan normal fuhren. Die Bahn schrieb auf ihrer Homepage: "Zum jetzigen Zeitpunkt empfehlen wir Ihnen von Reisen von/nach München abzusehen."

In der Bahnhofshalle herrscht am Nachmittag großes Chaos. Gegen 16 Uhr fährt noch ein Zug aus Berlin ein, nach mehr als drei Stunden Wartezeit in Ingolstadt. Auch die Haltestellen für U-Bahn, Bus und Tram sind teils überlaufen. Einige Pendler bilden Fahrgemeinschaften, Taxifahrer bieten Fahrten bis teilweise Nürnberg an und fordern dafür Summen von bis zu 400 Euro.

Bagger-Unfall soll Grund für Störung gewesen sein

Wie die Deutsche Bahn am späten Donnerstagnachmittag mitteilte, stellten Techniker bei einer Erkundung vor Ort fest, dass das komplette Quertragwerk, das die Oberleitungen über alle Gleise spannt, beschädigt sei und repariert werden müsse. Dies betreffe die Oberleitung sowohl für den S-Bahn-Verkehr als auch für die Züge des Nah- und Fernverkehrs, hieß es bei der DB. Die Reparatur wird nach aktueller Prognose bis mindestens in die Nacht zum Freitag andauern. Ersten Erkenntnissen zufolge soll ein Bagger bei Bauarbeiten im Bereich Laim die Oberleitung beschädigt haben. Genaueres war jedoch zunächst unklar.

Auf ihrer Website zur Betriebslage der Münchner S-Bahn gibt die DB Auskunft zu Alternativen für S-Bahn-Pendler. Ausweichungen auf den ÖPNV der MVG sind möglich. Für alle Zugfahrten, auch die des Fernverkehrs, ist die Zugbindung aufgehoben, Tickets behalten ihre Gültigkeit und können zu einem späteren Zeitpunkt genutzt werden, teilte die Deutsche Bahn mit.

Von dem Schaden ist auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betroffen. Baerbock hielt sich in München zu einem Besuch der Internationalen Automobilausstellung (IAA) auf. Angereist war die Ministerin mit dem Zug. Da am Abend noch wichtige Termine in Berlin anstehen, musste sich die Grünen-Ministerin nun mit dem Auto auf den Weg zurück in die Hauptstadt machen.

Kateryna Voronina hat wegen der Störung den Großteil der Hochzeit ihrer Freundin verpasst. Es habe Durchsagen im Zug gegeben, sagt sie, aber niemand habe gesagt, wann und wie es weitergeht. "Ich habe die Schnauze voll", sagt ein weiterer Reisender, der mit seiner Begleitung bereits seit Stunden auf ein Weiterkommen am Hauptbahnhof wartet. Sie wollen nach Sylt.

Familie Schwarzkopf ist noch guter Dinge. Sie wollen für ein verlängertes Wochenende nach Berlin. "Laut App", sagt er, sollte der Zug gehen. Sorgen bereitet ihm nur, ob die Reservierung noch gültig ist. Sie sind mit drei Kindern, Eltern, Großeltern, Schwester und Schwager unterwegs. Und drei Kinder ohne Sitzplätze könnte problematisch werden. Ein schweißgebadeter Geschäftsmann starrt auf die Großanzeigen. "Wird ja irgendwie weitergehen", spricht er sich Mut zu und hastet weiter. Anderen ist dagegen schon das Reden vergangen, winken nur müde ab. Ein Ehepaar, das wartend an der Seite im Zwischengeschoss steht, hat vorsichtshalber schon sein Hotel verlängert. Sie wollten nach einem Kurzbesuch in München eigentlich zum Bodensee, doch der Regionalzug ab Pasing fahre nicht. "Und wer zahlt das alles?" Eine Antwort darauf ist wohl nicht zu erwarten.

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