Süddeutsche Zeitung

Sendling:Wohl doch keine 600 Wohnungen in bester Lage

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Der Investor speckt seine Pläne offenbar deutlich ab: Auf dem Gelände des Großmarktes soll wohl lediglich eine Halle für die Obst- und Gemüsehändler entstehen. Bestätigt fühlen sich nun manche, die früh vor einem privaten Bauherrn gewarnt hatten.

Von Heiner Effern und Sebastian Krass

Der Traum von 600 oder 700 Wohnungen in bester Lage ist Stand jetzt offenbar ausgeträumt, auch die Büros für etwa 2500 Beschäftigte scheinen nicht mehr realistisch zu sein. Beim spektakulären Großprojekt, das der Investor Ralf Büschl aus Grünwald auf dem Gelände des Großmarkts in Sendling verwirklichen wollte, soll praktisch nur noch neu entstehen, was schon immer geplant war: eine neue Halle für die Obst- und Gemüsehändler.

Nach Informationen der SZ soll der Investor mit der Abgabe seines Angebots nur noch eine Basis-Version seiner Pläne verfolgen. Zuerst hatte die Abendzeitung darüber berichtet. Die geplanten Wohnungen und Geschäftsräume auf dem Dach der Halle sollen nicht mehr ernsthaft zur Debatte stehen. Konkret äußern will sich das verantwortliche Kommunalreferat derzeit nicht, noch müssen viele Seiten des Angebots geprüft werden. Dieses sei "fristgerecht" eingereicht worden, bestätigte eine Sprecherin nur. Es sehe zudem "mehrere Varianten" vor.

In der Stadtpolitik geht man aber davon aus, dass für Büschl im Moment nur die Basisversion in Frage kommt. Die Inflation, die gestiegenen Baukosten und die Vorgaben nach der "Sozialgerechten Bodennutzung" (Sobon), wonach 50 Prozent der Wohnungen auf dem Dach der Großmarkthalle als preisgedämpfte oder geförderte Einheiten angeboten werden sollen, machten die eigentlich Planung von Büschl wohl zunichte, heißt es. Sein Sprecher richtete nur aus, man habe den Worten des Kommunalreferats nichts hinzuzufügen.

Das Planungsreferat kündigte zum weiteren Vorgehen an, das Konzept mit ihren Markthallen und dem Planungsreferat "funktional und städtebaulich prüfen und dem Stadtrat schnellstmöglich zur Entscheidung vorlegen" zu wollen. Auch die Händler und der Bezirksausschuss sollen eingebunden werden. Der Stadtrat könnte sich wohl frühestens im September mit dem weiteren Vorgehen befassen. Eine Neuausschreibung des Baus der Großmarkthalle, wie es die Fraktion ÖDP/München Liste nun fordert, ist im Kommunalreferat wohl kein Thema: "Die öffentlich einsehbare Ausschreibung der Landeshauptstadt hatte - wie vom Stadtrat beschlossen - den Bau einer Großmarkthalle zwingend, sonstige Nutzungen optional vorgegeben", heißt es in der Stellungnahme. Das Wort "optional" ist darin gefettet.

Bei der stark geschrumpften Bauabsicht des Investors Büschl handelt sich um eine neue Volte in einer jahrelangen Diskussion. Seit vielen Jahren ist klar, dass der aktuelle Großmarkt marode ist und es dringend neue Gebäude braucht. Allein die Instandhaltung verschlingt gewaltige Summen. 30 Millionen Euro hat die Stadt eingeplant, um die Betriebssicherheit bis 2030 zu erhalten. Finanzexperten rechnen aber sogar mit noch höheren Summen. Schon vor Jahren hatte das Kommunalreferat, damals noch unter Führung von Axel Markwardt, das Konzept für einen Großmarkt-Neubau durch die Stadt selbst vorgelegt.

Das aber verwarf im Jahr 2017 die damalige Koalition aus CSU und SPD als ungeeignet und beschloss stattdessen, einen privaten Investor zu beauftragen. Das Ziel war seither, dass der neue Großmarkt spätestens 2030 in Betrieb gehen soll. 2020 stellte ein dort bereits tätiges Unternehmen, das Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM), einen Plan für einen gigantischen Neubau aus Großmarkt und einem oben aufgesetzten Bürokomplex vor. Das UGM erwies sich aber als überfordert mit der Umsetzung, das Projekt wurde von der Büschl-Gruppe übernommen.

Die Büschl-Gruppe ging aus einem europaweiten Ausschreibungsverfahren für den Bau eines Großmarkts plus möglicher weiterer Nutzungen als einzige Bewerberin hervor. Büschl selbst hatte bereits früh den Plan verkündet, dort auch Wohnungen zu bauen. Anfang dieses Jahres wurde bekannt, dass es 600 bis 700 Wohnungen werden sollen, die Hälfte davon gefördert oder preisgedämpft, zusätzlich kam der Neubau eines Bürogebäudes ins Spiel. Davon hat sich die Büschl-Gruppe nun offenbar verabschiedet.

Die größte Fraktion im Stadtrat, Die Grünen/Rosa Liste, reagierte am Dienstag überrascht. Man habe davon bisher nichts gewusst und wolle sich nun um einen Termin mit der Büschl-Gruppe bemühen, um sich den aktuellen Stand erklären zu lassen. Die Grünen standen der Investorenlösung seit jeher skeptisch gegenüber. Sich nun aber in einer neuen Kehrtwende davon verabschieden, das wollen sie offenbar auch nicht. "Das Projekt ist vor Jahren an die Wand gefahren worden", sagt Grünen-Stadträtin Anna Hanusch mit Blick auf den Beschluss von CSU und SPD im Jahr 2017. Nun plädiert sie dafür, mit dem Investorenmodell möglichst schnell voranzukommen. Hanusch betont auch: "Es ging bei der Ausschreibung im Kern immer um den Bau eines Großmarkts."

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