Süddeutsche Zeitung

Geburtshilfe:Ein guter Tag für Frauen

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Im Rotkreuzklinikum München wird es schon von Herbst an einen Hebammen-Kreißsaal geben. Dort sollen Geburten ohne ärztliche Intervention durchgeführt werden. Es ist der erste Kreißsaal seiner Art.

Von Nicole Graner

Sechs Kreißsäle hat das Rotkreuzklinikum München schon. Nun wird es einen neuen Kreißsaal geben, in dem Hebammen eigenverantwortlich Geburten durchführen. Im Herbst wird er eröffnet, anmelden kann man sich schon Mitte Juli. Dann kümmert sich ein Team von 20 Hebammen um werdende Mütter, die eine natürliche Geburt wünschen. Ohne ärztliche Interventionen und fast ohne Medikamente.

In einem "interprofessionellen" Kreißsaal ist immer ein Arzt anwesend, der intensiv mit der Hebamme zusammenarbeitet, in einem von Hebammen geleiteten Kreißsaal wird die Frau ohne Ärzte betreut. Dass dieser neue Kreißsaal nun kommt - "damit geht für mich ein großer Wunsch in Erfüllung", sagt Ina Rühl. Seit April ist Rühl Chefärztin der Geburtshilfe am Rotkreuzklinikum, aber diese Idee für einen von Hebammen geleiteten Kreißsaal hat sie schon lange mit sich herumgetragen. Überzeugt davon, dass es wichtig ist, den Frauen eine natürliche Geburt zu ermöglichen. Auch weil sich das die meisten Frauen wünschen würden.

Natürlich heißt: der werdenden Mutter die Zeit zu geben, die die Geburt eben braucht und sie 1:1 zu betreuen. Ohne Medikamente, die die Geburt beschleunigen. Eine Hebamme kümmert sich die ganze Zeit um die Gebärende, eine zweite kommt hinzu, wenn die zweite und dritte Wehenphase einsetzt. "Wir wollen", sagt Rühl, "dass die Geburt für die Frauen so schön wie möglich ist und zu keinem schlimmen Erlebnis wird."

Es sei erwiesen, sagt die 48-jährige Ärztin, dass die Betreuung durch eine Hebamme die Kaiserschnittrate senke, dass die Frauen mehr entspannten. Sie müssten außerdem gut und menschlich aufgehoben sein "in ihrem Schmerz". Die Frauen lernen bald nach der Anmeldung für die Geburt in dem neuen Kreißsaal ihre Hebammen kennen und treffen sie regelmäßig. Und immer wieder werde genau bei allen Untersuchungen abgeklärt, ob es auf eine risikofreie Geburt hinausläuft. Denn nur Geburten ohne Risiko, sagt Rühl, würden im neuen Kreißsaal durchgeführt. Keine Zwillingsgeburten zum Beispiel oder wenn die Babys in Beckenendlage liegen, also mit dem Po voran.

Jede Versorgung ist möglich

Ein früheres Vierbett-Zimmer wird gerade im Klinikum zu einem großen Raum umgestaltet - mit schönem Licht, einem Wasserpool, ein bisschen Farbe und gemütlichen Stühlen für die werdenden Papas. Zwei Frauen können gleichzeitig entbinden. Aber es gebe, so die 48-jährige Chefärztin, zusätzlich noch ein "wunderschönes" Zimmer mit Blick ins Grüne. Hier können sich die Frauen ausruhen, bevor es richtig losgeht. Das Besondere am neuen Kreißsaal: Er ist nur wenige Meter vom "interprofessionellen" Kreißsaal entfernt. Wenn es doch zu unvorhergesehenen Situationen kommen würde, sei laut Rühl, "alles in der Nähe" und jede Versorgung möglich.

In vielen Fachgesprächen hatten Hebammen und Ärzte bereits 2020 ein großes Interesse an einem Hebammen-Kreißsaal geäußert. Doch dann kam Corona. Erst im Dezember 2022 gingen die Gespräche weiter - auch mit dem Gesundheitsreferat und dem Rotkreuzklinikum, das von Anfang an großes Interesse an einem Hebammen-Kreißsaal geäußert hatte. Daher ist die Freude in der jüngsten Sitzung des Gesundheitsausschusses mindestens genauso groß, wie die von Ina Rühl.

Die Dritte Bürgermeisterin, Verena Dietl (SPD), sieht im neuen Hebammenkreißsaal "ein neues und zeitgemäßes Angebot". Dass dieser Kreißsaal möglich geworden sei, sei ein "gutes Zeichen für die Hebammen", sagt Kathrin Abele (SPD). Und Angelika Pilz-Strasser (Grüne) macht es noch deutlicher: "Das ist ein guter Tag für die Frauen."

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