Süddeutsche Zeitung

Münchner Kliniken:Stadt verzeichnet einen neuen Geburten-Rekord

Lesezeit: 3 min

Im zweiten Jahr der Pandemie kamen in München 24 089 Kinder auf die Welt - mehr als je zuvor. Woran liegt das?

Von Nicole Graner

Sophia oder Maximilian? Emma oder Elias? Über viele Babynamen wurde im Jahr 2021 im engsten Familienkreis nachgedacht und viele Namen für Neugeborene gefunden. Mehr als je zuvor. Denn im zweiten Pandemiejahr kamen in der Landeshauptstadt 24 089 Kinder auf die Welt, wie die städtische München Klinik mitteilt. Das bedeutet einen Anstieg um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als 23 198 Babys geboren wurden. München liegt damit leicht über dem bundesweiten Anstieg von 2,7 Prozent.

Allein in den drei städtischen Frauenkliniken der München Klinik - also Harlaching, Schwabing und Neuperlach - kamen 6740 Kinder auf die Welt. Neun Prozent mehr als im Vorjahr. Auch das sei ein neuer Rekord, macht die München Klinik deutlich. Und das in Corona-Zeiten.

Durch Home-Office ist der Kinderwunsch realisierbarer geworden

Mehr Zeit füreinander? Christoph Scholz, Professor und Chefarzt der Frauenkliniken Harlaching und Neuperlach, will sich auf der Suche nach Gründen für mehr Babys in der Stadt nicht mit Klischees abfinden. Also mit der gängigen Vermutung: Wenn es kuschlig und warm ist, wenn Paare mehr Zeit miteinander verbringen, würden mehr Kinder geboren. Mit dieser These müsse man "aufpassen". Das entspräche doch eher einem Frauenbild, wie er sagt, der Fünfzigerjahre. "Nein", sagt der 45-Jährige, "die Einzelfaktoren sind sehr viel komplexer."

Einen möglichen Grund für den Geburtenanstieg sieht er aber in den "sozialen Veränderungen" zum Beispiel durch Home-Office. "Der Kinderwunsch", erklärt Scholz, "ist vielleicht realisierbarer geworden." Weil Arbeit und Familie leichter zusammengeführt werden, weil Paare zusammen für das Neugeborene da sein können. Und er fügt hinzu, dass soziale Veränderungen durch Corona sogar ein "erster Zucker für eine familienorientiertere Planung" sein könnte.

62 Sars-CoV-2-positive Frauen haben 2021 in den Frauenkliniken der München Klinik entbunden. 2020 waren es insgesamt 27 Geburten. Eine riesige Herausforderung. Denn schwangere und an Covid erkrankte Frauen haben ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Sie müssen, so teilt die München Klinik mit, "zwei- bis fünfmal so häufig intensivmedizinisch versorgt werden". Auch das Risiko einer Frühgeburt steigt.

Es gab eine Frau, wie sich Scholz erinnert, die beatmet werden und deren Kind viel früher geholt werden musste. Erst nach dem Erwachen aus dem Koma konnte die Mutter ihr Kind in den Arm nehmen. Es gab Fälle, in denen man das Leben der Mutter schützen und eine Frühgeburt einleiten musste. Aber es gab auch Fälle, die mit aller Vorsorge und Schutz sogar eine ambulante Betreuung zu Hause möglich gemacht haben. Trotz Corona. "Frauen sind mutig", sagt Scholz. "Sie stellen ihre Gesundheit oft zurück für das Leben ihres Kindes." Deshalb sei der Schutz der Mutter enorm wichtig und jetzt auch wieder "relevanter" geworden.

50 Prozent der schwangeren Frauen sind jetzt geimpft

Eine Erfahrung bleibt. Dass laut Chefarzt Scholz doch viele werdende Mütter nicht geimpft gewesen seien, vor allem aus Angst vor Unfruchtbarkeit. Erst im September 2021 habe die Ständige Impfkommission die Empfehlung zur Spritze ausgesprochen. Inzwischen seien mehr als 50 Prozent der schwangeren Frauen geimpft. "Da hat es", sagt Scholz, "in den letzten acht Wochen einen deutlichen Schub gegeben."

Stolz ist der Chefarzt darauf, dass es in den Frauenkliniken gelungen sei, die Geburt in Zeiten von Corona mit einem strikten Hygienekonzept sicher zu machen - mit einer strikten Trennung von an Covid-19 erkrankten und nicht erkrankten Schwangeren, der strikten Testung von Schwangeren und deren Partnern und der Trennung von Dienst-Teams. Wichtig sei ihm aber vor allem, die "Einheit der Familie" zu ermöglichen. Was für ihn zum Beispiel auch heißt, dass der Partner im Kreißsaal dabei sein kann. Das sei laut München Klinik "durchgehend" möglich gewesen. Auch habe man "keine Mutter verloren".

Und eine Hoffnung hat Christoph Scholz auch. Dass es im Moment kein Anzeichen gebe, dass die Krankheitsverläufe bei werdenden Müttern, die sich mit der Omikron-Variante infiziert haben, schwerer werden. Eher leichter. Aber er macht noch einmal deutlich, wie wichtig es sei, dass Frauen schon geimpft in die Schwangerschaft gehen und mit Blick auf Omikron ihren Impfschutz auffrischen. "Die Impfung ist kein Risiko." Nur Schutz. Für Emma. Für Maximilian. Und alle Babys, die noch kommen.

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