Süddeutsche Zeitung

Zwischennutzung in Haidhausen:Wie der Gasteig zu neuem Leben erweckt wird

Lesezeit: 4 min

Ein quirliges Subkulturzentrum, Restaurants mit Dach-Beeten und viel Platz für Kunst, die sonst im reichen München wenig Raum hat. Der Stadtrat macht den Weg frei für die Zwischennutzung des Mehrzweckkolosses. Nur ein Name fehlt noch.

Von Heiner Effern und Michael Zirnstein

München bekommt ein neues Kulturzentrum - und wenn es nach den prominenten Betreiber-Interessenten geht, sogar "das größte Subkulturzentrum Europas": den Gasteig. Wobei der Mehrzweckkoloss dann wohl anders heißen wird, solange er bis zum geplanten Start der Sanierungen Anfang 2024 den Kreativen der Stadt viel Platz zur freien Entfaltung bieten soll. Der Stadtrat hat am Mittwoch in einer nicht öffentlichen Sitzung einen entscheidenden Schritt gemacht, um im Gasteig "Raum für spartenübergreifende Kreativität im urbanen Kontext" zu schaffen.

Das Gremium hat die Gasteig-GmbH beauftragt, mit den aussichtsreichsten und potentesten Bewerbern den Vertrag für eine Zwischennutzung auszuhandeln. Die Gasteig-Leitung hat offenbar gleich nach der Sitzung mit den Wunschkandidaten telefoniert: Till Hofmann, Chef von Münchner Bühnen wie Lustspielhaus und Milla sowie der Veranstaltungsagentur Eulenspiegel, Peter Fleming vom Technoclub Harry Klein, Zwischennutzungs- und Hallen-Routinier Michi Kern (Lovelace, Sugar Mountain, Freiheitshalle, Utopia) und Nepomuk Schessl für den Klassik-Großveranstalter Münchenmusik wollen das Mammut-Projekt gemeinsam stemmen.

"Wir freuen uns riesig, wieder Leben in das Haus zu bringen", sagt Schessl. Gleichwohl gebe es in den Verhandlungen durchaus "noch eine Nuss zu knacken", wie Peter Fleming sagt. Aber "cool" sei es natürlich, "dass unser Angebot angekommen ist". Er hatte mit den anderen Dreien einer ersten Ausschreibung eine Absage erteilt. In einem Schreiben an die Stadt legten sie dar, dass eine feste Monatsmiete von 283 000 Euro für alle Flächen plus eventuell 150 000 für die Philharmonie privatwirtschaftlich nicht finanzierbar sei. Kein Bewerber konnte ein dementsprechendes Angebot vorlegen. Das geht aus der nicht öffentlichen Beschlussvorlage hervor, die der SZ vorliegt.

Zweieinhalb Millionen Euro zusätzlich für die Zwischennutzung gibt der Stadtrat frei

Das Interessenten-Quartett schlug stattdessen eine Umsatzpacht vor, gestaffelt nach kommerzieller, kultureller oder sozialer Belegung. Beim Carl-Orff-Saal wären das dann beispielsweise 3000, 250 bis 800 und 0 Euro pro Tag. Diese Alternative wurde prompt in einer Neuauflage der Ausschreibung aufgenommen. Um den Weg zu finalen Verhandlungen frei zu machen, gab der Stadtrat am Mittwoch zusätzlich etwa zweieinhalb Millionen Euro für die Zwischennutzung frei. Insgesamt rechnet das für den Gasteig verantwortliche Wirtschaftsreferat mit etwa sechs Millionen Euro, die von der Stadt dafür aufgebracht werden müssen. Grund für das hohe Defizit sind unter anderem die gestiegenen Energiekosten und geringere Mieterlöse als ursprünglich gedacht.

Auf Basis des aktuellen Beschlusses könne man nun zuversichtlich in die Verhandlungen gehen, sagt Hofmann. Und obwohl bei einem Scheitern noch andere Bewerber zum Zug kommen könnten, sieht er "keine größeren Knackpunkte mehr". Parallel zu den Gesprächen, die laut Kern "hoffentlich bis zur Weihnachtspause zu einem Vertrag führen", stürze man sich "unter diesen positiven Vorzeichen" nun schon mit Schwung in die eigentliche Arbeit. Mit einem Team von fünf bis zehn Mitarbeitern erstelle man gerade ein Gestaltungskonzept und das inhaltliche Angebot: "Es soll auch nach etwas ausschauen."

Für die bis zu sechs Millionen Euro Kosten will die Stadt während der Zwischennutzung viele günstige oder kostenlose kulturelle Nutzungen sehen. "Diversität, kulturelle Bildung und soziale Initiativen" sollen zu den Herzstücken des Konzepts gehören, heißt es in der Vorlage. Ausdrücklich betont wird auch, dass die freie Szene großzügig Probenräume erhalten soll. Unter den zu vermietenden Räumen befinden sich der Carl-Orff-Saal, die Black Box, der Kleine Konzertsaal und der Carl-Amery-Saal, große Foyer-Bereiche und zahlreiche Räume, die bis zur Schließung von der Hochschule für Musik und Theater oder der Volkshochschule genutzt wurden. Dazu kommen Außenflächen und drei der fünf Ladenlokale.

Die Zukunft des Impfzentrums muss noch geklärt werden

Die Nutzung der Philharmonie soll grundsätzlich für eine Zwischennutzung möglich sein, kann aber erst verhandelt werden, wenn die Zukunft des Impfzentrums im Gasteig geklärt ist. Das belegt große Teile dieses Gebäudeflügels. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte am Dienstag angekündigt, dass er die großen Impfzentren bis Ende des Jahres schließen will. Die Stadt hat laut einem Sprecher des Gesundheitsreferats nun begonnen, diese Vorgabe umzusetzen. "Wir gehen davon aus, dass man eine Lösung findet, wir haben doch alle das selbe Ziel", sagt Schessl, der die Bespielung des größten Saales als wesentlich für die Finanzierung ansieht.

Für das Dach der Bibliothek wird es nun anders als zunächst gedacht keinen zusätzlichen Mieter geben. Die vier Haupt-Bewerber wollen aber Thomas Manglkammer mit seinem Konzept eines autark von Dach-Beeten versorgten Restaurants als Untermieter aufnehmen. Außerdem, so Fleming, plane man auf den weiten Dachflächen gemietete Solaranlagen aufzustellen, um die Energiekosten zu senken.

Ideen, was darunter im zwischengenutzten Gasteig als "Experimentierfeld" passieren könnte, haben die vier Betreiber zuhauf: Von längeren Gastspielen etwa des Circus Roncalli ist die Rede, von kleinen Theatergruppen, die hier proben und diskursive Stücke aufführen können, von "Debattenkultur". Hofmann will soziale Gruppen, etwa aus dem Bellevue di Monaco oder auch von den Jugendhilfeträgern, einbinden. Er stehe auch bereits mit Matthias Lilienthal, dem früheren Intendanten der Kammerspiele, im Austausch, wie man die Räume "gegen den Strich" bespielen könne.

Basketball- und Kinderspielplätze könnte es schon im Frühjahr geben

Außerdem werde man schnell mit dem Kulturreferat absprechen, wie man Bands, Chöre, und bildende Künstler unterbringe, und die Termine für städtisch geförderte Festivals wie Spielart, Bücherschau, Digitalanalog oder Rodeo festlegen. Vor allem aber, so Michael Kern, werde man nun bis Weihnachten eine Ausschreibung auf den Weg bringen, er nennt sie lieber unbürokratisch einen "Call for Ideas" - einen Aufruf an alle, die sonst nicht zum Zug kommen, mitzuwirken.

Die Probenräume könnten bald vergeben werden; mit Basketball, Tischtennis und Kinderspielplätzen in den Außenanlagen könnte es im Frühjahr losgehen, mit dem Kulturprogramm auch im März. Bis dahin sollte auch ein Name gefunden sein, um die Münchner nicht noch mehr zu verwirren - es stranden ja jetzt schon immer wieder Kulturgäste am halbleeren Gebäude in Haidhausen, obwohl sie eigentlich zum längst laufenden Interim Gasteig HP8 in Sendling müssten. "Fat Cat" schlägt Michi Kern vor, weil der Gasteig "wie eine Katze da oben sitze und auf die Stadt herunterschaue", aber das kam bei den Mitstreitern bisher noch nicht gut an.

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