Süddeutsche Zeitung

Dreikönigstreffen der Münchner SPD:Rote Träume

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Beim Dreikönigstreffen gibt sich die SPD kämpferisch - trotz mieser Umfragewerte neun Monate vor der Landtagswahl. Doch die hätten Olaf Scholz schließlich auch nicht aufgehalten.

Von Anna Hoben

Wer Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) öfter zuhört, kann mit der Zeit eine Favoriten-Playlist zusammenstellen. Hatte er seine Haushaltsrede im Stadtrat im Dezember noch mit Jimi Hendrix begonnen und mit John Lennon beendet, ließ Reiter diesmal den Liedermacher Hannes Wader das Wort der Stunde sprechen: "Gut wieder hier zu sein, gut euch zu sehn". Nach den Pandemie-Jahren ohne Dreikönigstreffen war das Bedürfnis, zusammenzukommen, bei den Genossinnen und Genossen denn auch groß. Der Saal im Hofbräukeller am Wiener Platz: proppenvoll.

Er freue sich, die "Vorband" für den "vielleicht künftigen bayerischen Ministerpräsidenten" sein zu dürfen, sagte Reiter - den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Florian von Brunn. Falls nun jemand entgegne, er spinne: Vor der Bundestagswahl habe er Olaf Scholz auf dem Marienplatz als nächsten Bundeskanzler begrüßt. "Der Rest ist Geschichte." Geschichte, die eine Sache lehre, so Reiter: "Die SPD ist immer dann stark, wenn wir miteinander und nicht gegeneinander arbeiten."

Der Oberbürgermeister berichtete dann noch von einem Traum, den er gehabt habe, und von einem Albtraum. Erst der Traum: In einer nächtlich hell erleuchteten Staatskanzlei seien die Beschäftigten eifrig dabei gewesen, den "Filz" aus vielen Jahrzehnten CSU-Staatsregierung durch den Aktenvernichter zu jagen - weil die SPD die Regierung übernommen habe. Und Träume, so Reiter, "sollten Wirklichkeit werden". Der Albtraum indes ging so: Die Union habe regiert, in München, Bayern und Deutschland. Und Deutschland sei ein kaltes Land gewesen, weil nämlich Friedrich Merz (CDU) ein Gasembargo verhängt habe, "ohne Rücksicht auf die Folgen".

Von Merz, der für Mieterinnen und Mieter nicht viel übrig habe, kam Reiter zu einem Kernthema der Münchner SPD: bezahlbarer Wohnraum. Von Söders Verkauf der 30 000 einst staatlichen GBW-Wohnungen bis zur 2018 gegründeten staatlichen Wohnungsbaugesellschaft Bayernheim, die mittlerweile gerade mal wenige Hundert Wohnungen in ihrem Besitz habe. Reiters Fazit: "Mit Söder und der CSU wird das nix. Es wird Zeit, eine Regierung zu bekommen, der Mieter wichtig sind."

Auch der bayerische Energiehilfefonds sei "ein echter CSU-Aufschlag": unklar, für was und wen, wie und wann genau die Millionen verwendet würden. In München dagegen fließe das Geld aus dem Wärmefonds schon im Januar, "das ist SPD-Politik". Und Reiter hatte noch mehr Pluspunkte mitgebracht fürs eigene Zeugnis, darunter die komplizierte Rettung der weitgehend kostenlosen Kitaplätze in München und die von der SPD verhandelten Ausnahmen für das Dieselfahrverbot.

Kämpferisch gab sich dann auch Florian von Brunn, Spitzenkandidat bei der Landtagswahl und - nach der "Vorband" Dieter Reiter - Hauptact der Veranstaltung. So kämpferisch, wie es eben geht bei den aktuellen Umfragewerten. Wechselstimmung herrscht in Bayern neun Monate vor der Wahl nicht wirklich, zuletzt lag die SPD in einer Umfrage bei neun Prozent. Doch dem will von Brunn nicht zu viel Bedeutung beimessen; vor der Bundestagswahl seien Anfang 2021 die Umfragewerte für seine Partei schließlich auch noch niedrig gewesen. "Ich bin mir sicher, wir werden ein gutes Ergebnis erzielen", rief er unter Applaus in den Saal.

Um dann Ministerpräsident Söder zu attackieren, der den ganzen Tag rede und rede, statt zu handeln. Die Menschen in Bayern, so von Brunn, hätten "mehr verdient als diese Bla-Bla-Politik". Der CSU warf er vor, bei der Energiewende die Windkraft zu blockieren und den Ausbau der Geothermie verschlafen zu haben. In Brandenburg, das halb so groß sei wie Bayern, gebe es fast 3900 Windräder, in Bayern seien es 1300. Oder die für 2023 angekündigte Pflegeplatzgarantie: "ein gebrochenes Versprechen von Markus Söder". Um den Pflegenotstand und generell den Fachkräftemangel zu bewältigen, brauche es vor allem Zuwanderung. "Unser Wohlstand in Bayern hängt davon ab."

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