Süddeutsche Zeitung

Ausrufung des Klimanotstands:Krise? Nicht bei uns

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Während die Baierbrunner Gemeinderäte den Notstand ausrufen, verwahren sich die Unterhachinger gegen den von den Grünen verwendeten Begriff. Sie verweisen auf die bereits angestoßenen Maßnahmen.

Von Iris Hilberth und Claudia Wessel, Baierbrunn/Unterhaching

Mitunter ist es vor allem die Wortwahl, die die Geister scheidet. So kann ein Begriff Kontrahenten vor allem im Wahlkampf veranlassen, leidenschaftlich zu streiten, obwohl im Prinzip alle dasselbe wollen.

Mit ihrer Forderung nach Ausrufung des "Klimanotstands" etwa stoßen die Grünen im Landkreis München trotz einiger Sympathien für das Thema nicht nur auf Wohlwollen. Mitunter ecken sie damit sowohl bei der politischen Konkurrenz als auch bei Verwaltungsmitarbeitern an, kürzlich im Landratsamt und nun auch im Unterhachinger Rathaus. In Baierbrunn hingegen geht der Gemeinderat wesentlich gelassener mit der grünen Wortwahl um. Am Dienstag ist das Gremium der Idee gefolgt und hat den "Klimanotstand" erklärt.

Unterhachings Bauamtsleiter Stefan Lauszat, der selten im Verdacht steht, emotional zu reagieren, merkte man die Verärgerung am Mittwochabend deutlich an, als er mit der Ankündigung ausholte: "Wir haben da mal ein bisschen was vorbereitet." Und weiter ergänzte: "Ich werde versuchen, sachlich neutral damit umzugehen." Rufe eine Gemeinde den Klimanotstand aus, sagte Lauszat, ziehe dies zwar keine rechtlich bindenden Forderungen nach sich. "Jedoch erkennt die Gemeinde damit an, dass ihre Bemühungen hinsichtlich des Klimaschutzes nicht ausreichen und verstärkt werden müssen", führte er aus.

41 Städte und Gemeinden hätten dies bereits getan, zudem seien weltweit mehr als hundert Petitionen verabschiedet worden. Dass dieses Ansinnen nun auch an Unterhaching herangetragen wurde, empört den Bauamtsleiter. "Die Gemeinde unternimmt schon seit 25 Jahren zielgerichtet und planvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel", sagte Lauszat und führte in einem umfangreichen Vortrag aus, was Unterhaching bereits unternommen hat: Vorreiter in Geothermie, einen eigenen Fachbereich im Rathaus, nachhaltige Bauweise, plastikfreies Bürgerfest, Förderprogramme zur Energieeinsparung, Förderung der Artenvielfalt im Landschaftspark, Umweltbildung in den Schulen.

Agieren statt reagieren

Lauszats Liste ist lang und er sprach damit vor allem der SPD und deren Bürgermeister Wolfgang Panzer aus der Seele, die bereits bei der Antragstellung der Grünen in der September-Sitzung mit einer ähnlichen Zusammenstellung auf die Frage des Klimanotstands reagiert hatten. Bei einem Notstand reagiere man, so Lauszat: "Wir aber agieren. Wir sind in fast allem Vorreiter." So sehen das auch die andere Fraktionen, sodass der Antrag der Grünen schließlich mit 25 zu 3 Stimmen abgelehnt wurde.

Korbinian Rausch (CSU) warf der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Claudia Köhler vor, mit dem "unreflektierten und rein populistischen Begriff des Klimanotstands" Unterhaching nicht gerecht zu werden. Vielmehr würden die Grünen durch "eine Massenhysterie eine gesellschaftliche Spaltung" provozieren. Unterhaching brauche keine "emotional aufgeheizte Revolution". Auch Peter Hupfauer (FDP) bezeichnete einen angeblichen Handlungsnot- oder Rückstand der Gemeinde als "absurd". Es bestehe die Sorge, "dass das lautstark vorangetriebene Thema Klimaschutz - bei aller angemessenen Berechtigung - andere ebenfalls zu den Aufgaben einer Gemeinde gehörenden wichtigen Themen verdrängt", so Hupfauer.

Den Grünen war es bei ihrem Antrag zur "Ausrufung des Klimanotstands" darum gegangen, die Brisanz des Themas noch deutlicher zu machen und die Gemeinde dazu zu verpflichten, zukünftig alle Entscheidungen auf die Klimaverträglichkeit zu überprüfen. Ein Auftrag, wie Lauszat mehrfach betonte, der so von der Verwaltung gar nicht zu schultern wäre. "Aus unserer Sicht ist die Vermeidung künftiger klimabelastender Entscheidungen ein Gebot der Vernunft und im Prinzip nicht mehr als die Minimalforderung der Wissenschaft an die Politik", sagte Evi Karbaumer im Namen der Grünen-Fraktion.

Die Ablehnung des Antrags bezeichnete sie als "falsches Signal". Unterhaching brauche "ein öffentliches Bekenntnis der Gemeinde, dass wir als Kommune, als Vorbild für die hier lebenden Menschen und in Zusammenarbeit mit ihnen, schnellstmöglich Klimaneutralität anstreben". Am Ende der Sitzung lauschten die Grünen verwundert den Anträgen der politischen Konkurrenz. So strebt die SPD an, Unterhaching zur "Klimaschutzgemeinde" zu ernennen und die CSU möchte die "Einführung eines nachhaltigen Umweltmanagements." Die Grüne Claudia Köhler stimmte das versöhnlich: "Wir freuen uns, dass jetzt auch andere Fraktionen die Notwendigkeit zu Verstärkung der Maßnahmen erkannt haben, gerade beim Klimaschutz."

Baierbrunn und das Pariser Abkommen

Der Gemeinderat in Baierbrunn hingegen hat sich einstimmig dazu entschlossen, dass die Eindämmung des Klimawandels und seiner Folgen künftig höchste Priorität bei Entscheidungen und Aktivitäten hat. Damit unterstütze die Gemeinde ausdrücklich das Engagement der Bürger, die sich für den Klimaschutz einsetzen. Baierbrunn bekennt sich damit ausdrücklich zum Pariser Klimaschutzabkommen und stellt fest, dass die bisherigen Maßnahmen und Planungen nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die Gemeinde will von sofort an die Auswirkungen auf das Klima bei jeglichen Entscheidungen berücksichtigen.

Hierzu wird für sämtliche Beschlussvorlagen der Ausschüsse und des Rats von November an das Kästchen "Auswirkungen auf den Klimaschutz" mit den Auswahlmöglichkeiten "Ja positiv", "Ja negativ" und "Nein" verpflichtender Bestandteil. Wird die Frage mit "Ja positiv" oder "Ja negativ" beantwortet, muss die jeweilige Auswirkung in Zusammenarbeit mit dem Klimaschutzbeauftragten in der Begründung dargestellt werden.

Der Bürgermeister muss halbjährlich über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der klimaschädlichen Emissionen Bericht erstatten, Gemeindemitarbeiter sollen sich verstärkt mit den Möglichkeiten im Klimaschutz auseinandersetzen.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2019
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