Süddeutsche Zeitung

Neue Station am Klinikum Neuperlach:Rund um die Uhr überwacht, aber außer Lebensgefahr

Lesezeit: 3 min

Die neuen "Intermediate-Care"-Betten am Klinikum Neuperlach schaffen ein Bindeglied zwischen Intensiv- und Normalstation. Wie Patientinnen und Patienten davon profitieren und warum dort von einem Pflegenotstand keine Rede sein kann.

Von Nicole Graner

Auf Station zwölf in der München Klinik in Neuperlach ist es erheblich leiser als auf der nur wenige Meter entfernten internistischen Intensivstation. Kein lautes Piepen der Monitore, kein Rauschen des Beatmungsgeräts. Was nicht heißt, dass es hier ruhig zugeht. Alle vier Betten der kleinen, aber eigenständigen Intermediate-Care-Station (IMC) sind belegt, alle Patienten hier brauchen eine besondere Überwachung. Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachkräfte haben gut zu tun.

Eine bunte Buchstabengirlande hängt mitten im Gang der Station: "Happy new IMC". Erst seit Beginn des Jahres gibt es diese Zwischenstation - nicht Intensivstation, nicht Normalstation, sondern ein Bindeglied. Hier werden Patienten versorgt, die nicht mehr auf der Intensivstation behandelt werden müssen, nicht mehr intubiert sind. Die aber eine Monitorüberwachung brauchen, Dialyseprobleme oder Beschwerden während einer Chemotherapie bekommen haben, an einer gefährlich niedrigen Sauerstoffsättigung im Blut leiden, eine Lungenembolie oder einen Herzinfarkt erlitten haben.

Kurz: Hier werden Patienten behandelt, die noch nicht auf eine Normalstation können, weil sie zum Beispiel häufig Blutentnahmen oder eine intensive EKG-Überwachung brauchen. Auch in den schlimmen Phasen der Corona-Pandemie war die IMC ein wichtiges Bindeglied für Patienten, die beobachtet werden, aber eben nicht an die Beatmungsmaschinen mussten.

Stefan Sack, 60, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin der München Klinik in Neuperlach, hat in den vielen Jahren, die er auf verschiedenen Intensivstationen gearbeitet hat, eine Erfahrung gemacht: Patienten, die keine lebensbedrohliche Erkrankung haben oder nicht mehr intensiv versorgt werden müssen, aber trotzdem eine spezielle Überwachung brauchen, sollten nicht einfach nur vom Intensivteam "mitbehandelt" werden. Sie bräuchten Aufmerksamkeit und profitierten von einer spezialisierten Versorgung. Denn der aufwendige Intensivalltag lasse oft nur wenig Raum für IMC-Patienten. Beide Bereiche, sagt Sack, sollten daher "nicht vermischt" werden.

Viele Pflegefachkräfte lieben den Kontakt zum Patienten

Das betrifft nicht nur die Patienten, sondern auch das Pflegepersonal. Auf der Intensivstation sind die meisten Patienten nicht oder nur schwer ansprechbar. Viele Pflegefachkräfte lieben an ihrem Beruf aber gerade den Kontakt zum Patienten. "Hier auf der IMC", sagt die Pflegerische Leiterin der Station, Katrin Starke, "können wir mit ihnen sprechen und ihnen vermitteln, dass wir sie auf einen gesunden Weg bringen, können ihnen erklären, was medizinisch zu tun ist, sie beruhigen." Eine Nähe werde aufgebaut, die beiden gut tue, ist die 42-Jährige überzeugt, den Patienten und dem Pflegepersonal.

Zwei bis drei Tage bleiben Erkrankte im Durchschnitt auf der IMC. Dann geht es auf die Normalstation - oder aber auf die Intensivstation. Zu verhindern, dass sich die Diagnose verschlechtert, genau zu erkennen, was möglich ist, und genau auf den Punkt zu entscheiden, wenn eine Versorgung auf der IMC nicht mehr ausreicht, ist die ärztliche und pflegerische Herausforderung. Die gemeinsame Motivation sei es, sagt die Oberärztin der IMC-Station, Christine Krollmann, 39, den Patienten so schnell wie möglich auf Normalstation zu bringen. "Und es ist schön, wenn man diese Erfolge dann auch sieht."

Um ein Bett auf Station zwölf stehen ein Arzt und Pflegefachkräfte. Sie reden zusammen mit dem Patienten. Erklären die Diagnose, den Tagesablauf und das weitere Vorgehen. Ganz in Ruhe. Zeit, die in der Intensivstation oftmals fehlt. Eine Oberärztin, ein Assistenzarzt, neun Pflegefachkräfte und eine Krankenpflegehelferin gehören zur neuen Station in Neuperlach. Mit dem Patienten kommunizieren und vor allem offen im Team und immer auf Augenhöhe - das ist ein klares Ziel für Krollmann.

Es werden neue Ideen ausprobiert, die Bedürfnisse immer neu angepasst. Und miteinander werde, so Krollmann, genau besprochen, wo der Patient stehe, ob ein Monitoring überhaupt notwendig sei. Kabel - so wenig wie nötig. Auch das sei, sagt Katrin Starke, ein wichtiges Anliegen in der IMC.

Das interdisziplinäre Konzept, das Ärzte und Pflegefachkräfte miteinander erarbeitet haben, ist das, was diese internistische IMC-Station auszeichnet. So sehr, dass es gelungen ist, zu den Stellen, die innerhalb des Hauses auf die IMC gewechselt sind, fünf neue Stellen von außen zu gewinnen. In Zeiten, in denen Pflegefachkräfte absolute Mangelware sind, alles andere als selbstverständlich. Das zeigt, was Kliniken tun können, um dem Pflegenotstand innovativ entgegenzutreten.

Die Mischung aus Verantwortung, einem nicht so "engen Setting wie auf der Intensivstation" und viel Gestaltungsfreiraum seien "attraktiv", wie Pflegebereichsleiterin Alexandra Huber, 54, erklärt. Viele Pflegefachkräfte wollten nicht auf Dauer in der Intensivversorgung arbeiten - am Limit und unter Bedingungen eines ständigen Ausnahmezustandes. Aber sie wollten sich auch weiterbilden, neue Wege ausprobieren. Die IMC bietet diese Möglichkeit.

"Der Bedarf an der internistischen IMC-Station ist definitiv da", sagt Krollmann. Und so hofft sie, dass die Station in Neuperlach weiterwächst, vielleicht bald mehr Betten hat. Denn wie Chefarzt Stefan Sack ergänzt, seien tatsächlich "so viele Bewerbungen da, dass wir das planen können". Auch sei es wichtig, weitere IMC-Stationen zu entwickeln. Denn mit einer Trennung von Intensivversorgung und der medizinischen Zwischenstufe IMC könne sich "jeder Bereich auf seine Kernarbeit fokussieren". Ein Konzept, das an immer mehr Kliniken in Deutschland erfolgreich umgesetzt wird.

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