Süddeutsche Zeitung

Kino:Der Komödienphilosoph

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Alireza Golafshan ist in Teheran geboren, in Hamburg aufgewachsen und arbeitet als Regisseur in München. Mit seinem neuen Kinofilm "JGA - Jasmin. Gina. Anna." beweist er, dass selbst Junggesellinnenabschiede Herz und Humor haben können.

Von Josef Grübl

Das passiert leider viel zu selten: dass man im Kino lacht, stöhnt, leidet, mitfühlt - und das in einem Film. "JGA - Jasmin. Gina. Anna." heißt dieses von Alireza Golafshan erdachte und inszenierte Werk, es startet am 24. März in den Kinos. Nun haben deutsche Komödien ja nicht unbedingt den allerbesten Ruf, da wird ebenfalls oft gestöhnt oder gelitten, wenngleich aus anderen Gründen: Auch hier gab es bereits Monate vor Kinostart und lange bevor irgendjemand den Film sehen konnte, in den Internetforen viel Hetze, Hass und Häme.

Das geschieht fast reflexartig, das trifft beinahe alle. "Auf der einen Seite haben wir in Deutschland große Publikumserfolge, auf der anderen Seite wird das Genre fast wie ein Schimpfwort benutzt", weiß Justyna Muesch, sie lasse das nicht so sehr an sich herankommen. Die Münchnerin hat Golafshans Film produziert, es ist die Geschichte von drei Mittdreißigerinnen, die auf Ibiza einen Junggesellinnenabschied (JGA) ohne Braut feiern, dafür aber mit Exfreunden, Ecstasy-Fake-Pillen und exzentrischen Strippern.

Bei der Weltpremiere Anfang März im Mathäser Filmpalast gab es dafür tosenden Applaus, vermutlich weil der Film nicht nur lustig ist, sondern auch einen Nerv trifft und ans Herz geht. "Wir glauben daran, dass sich die Qualität des Films beim Publikum herumspricht", sagt die Produzentin, die im Auftrag der Münchner Filmproduktionsfirma Wiedemann und Berg arbeitet. Für sie ist es nach der Inklusionskomödie "Die Goldfische" aus dem Jahr 2019 die zweite Zusammenarbeit mit Alireza Golafshan. Damals kam der Regisseur und Drehbuchautor frisch von der Münchner Filmhochschule (HFF), Muesch hatte einen seiner Kurzfilme gesehen und beauftragte ihn, ein Drehbuch zu schreiben. Das machte er so überzeugend, dass er es am Ende selbst inszenieren durfte.

Seit dem Kinoerfolg von "Die Goldfische" gilt Golafshan als deutsche Komödienhoffnung; beim Interviewtag im Bayerischen Hof ist der Mittdreißiger mit dem imposanten Vollbart ein gefragter Mann, er pendelt zwischen Dachterrasse, Pool und Hotelsuite hin und her. Das macht er mit beeindruckender Ruhe, gestresst sind nur die anderen. Er dagegen erklärt an diesem Tag immer wieder, warum er eine Komödie über drei Freundinnen machen wollte und wie sehr sich sein Film von anderen deutschen Komödien unterscheidet.

Seinen eigenen Junggesellenabschied habe er gar nicht gefeiert, verrät er, seine Schwester sei aber einmal bei einem JGA auf Ibiza gewesen und konnte allerlei Abenteuerliches berichten. Die Verbindung zu seiner Familie ist eng, er ist in zwei Kulturen aufgewachsen: 1986 in Teheran geboren, zogen seine Eltern mit den Kindern zwölf Jahre später nach Deutschland, Vater und Mutter lebten bereits in den Siebzigerjahren hier. Zunächst ging es nach Hannover, später weiter nach Hamburg. Er sei bis zur sechsten Klasse in Iran zur Schule gegangen, erzählt er, natürlich erinnere er sich da noch an vieles. Nach dem Abitur studierte er in Hamburg Kunstgeschichte und Philosophie. "Das hat Spaß gemacht, vielleicht wäre ich ein guter Philosoph geworden", sagt er. Aber er wollte lieber Filme machen, also bewarb er sich an der HFF - und wurde genommen. Seit 2008 lebt er in München, er hat hier studiert, geheiratet und wurde vor drei Jahren Vater eines Sohns. "Ich sag noch ,Moin', aber ein ,Servus' hinterher - um die Bayern zu beruhigen, dass ich keine bösen Absichten habe", erzählt er lachend.

Böse Absichten unterstellt ihm am Interviewtag im Bayerischen Hof sowieso niemand, im Gegenteil: Seine drei Hauptdarstellerinnen Luise Heyer, Taneshia Abt und Teresa Rizos überschlagen sich vor Begeisterung, wenn es um Film und Regisseur geht. Das ist natürlich keine so große Überraschung, genau dafür veranstaltet man solche Interviewtage. "Er ist ein guter Beobachter und Zuhörer, der selbst in stressigen Situationen ruhig bleibt", sagt Rizos. Das sei ja nicht an allen Filmsets so, pflichten ihre Kolleginnen bei. Die Frage, ob er als Regisseur streng sei, bejahen alle drei gleichzeitig. "Es wird so gedreht, wie er es geschrieben hat und wie wir es in den Proben erarbeitet haben", sagt Heyer. Darauf angesprochen erklärt Golafshan, dass nur kleine Dialog-Abweichungen oder falsches Timing den gewünschten Effekt zerstören können.

"Habe mich gefragt, warum man das den weiblichen Hauptfiguren in Komödien nicht so gönnt."

"Lachen ist eben eine harte Währung", sagt er, "entweder lachen die Leute oder nicht." Erstaunlich ist, dass er neben komödienerfahrenen Schauspielern wie Axel Stein oder Dimitrij Schaad ausgerechnet die Hauptrolle an eine Schauspielerin vergeben hat, die man bisher fast nur aus dramatischen Rollen kennt: Luise Heyer ("Der Junge muss an die frische Luft") spielt Jasmin unglaublich rührend, ist aber gleichzeitig pointenstark. Als sie ihm beim Casting von ihrem Exfreund erzählte, habe er wahnsinnig mitgefühlt, sagt Golafshan. "Dabei habe ich die Geschichte vom Exfreund doch selbst geschrieben."

"JGA - Jasmin. Gina. Anna." ist trotz aller komödiantischen Überspitzung auch ein Porträt moderner Großstädter in ihren Dreißigern. Alireza Golafshan kennt das, es ist ja seine eigene Generation. Zudem ist er in einem Frauenhaushalt aufgewachsen, als einziger Junge mit vier Schwestern. Das habe ihn geprägt, sagt er lachend, zumal seine älteren drei Schwestern deutlich älter sind als er: "Ich habe also vier Mütter." In Komödien seien Frauen nach wie vor oft nur Beiwerk, die Gags würden den Männern vorbehalten, findet er: "Ich habe mich gefragt, warum man das den weiblichen Hauptfiguren in Komödien nicht so gönnt."

Mit dem Bild der viel beschworenen Powerfrau kann er trotzdem nicht viel anfangen: "Da gibt es die Vorstellung, dass es eine starke Frauenfigur ist, die alles kann." Das sei aber langweilig, dadurch würden die Charaktere ihre Ecken und Kanten verlieren. Jasmin, Gina und Anna sind alles Mögliche, laut und lustig, peinlich und provokant, neurotisch und verpeilt. "Ich bin Ghetto, ich bin aus Neuperlach", sagt Gina einmal.

Dabei war lange Zeit unklar, ob die drei Freundinnen überhaupt aus München herauskommen: Pandemiebedingt mussten die Dreharbeiten in zwei Abschnitten stattfinden, der München-Teil und fast alle Innenszenen wurden im Herbst 2020 gedreht, erst im Mai 2021 konnte das Team nach Ibiza reisen. Dort stehen dann die Zeichen auf Eskalation, zumindest im Film. Mit deutschem Komödienklamauk hat das trotzdem nicht viel zu tun, das bestätigt auch Axel Stein. Der 40-jährige Schauspieler aus Wuppertal steht seit seiner Jugend vor der Kamera, hauptsächlich in Komödien, gerne auch in platten Haudrauf-Klamotten. "Die Gesellschaft verändert sich doch ständig", sagt er am Interviewtag in München, "damit verändert sich auch der Humor." Stein war schon bei "Die Goldfische" dabei, nach dieser Erfahrung wollte er unbedingt wieder mit Alireza Golafshan drehen. Wird es auch eine dritte Zusammenarbeit geben? Das wollen weder Schauspieler noch Regisseur verraten. Denn das entscheidet auch das Publikum, indem es im Kino ausreichend lacht, stöhnt, leidet und mitfühlt.

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