Süddeutsche Zeitung

Kino in München:Über was niemand gerne spricht

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Jessica Krummacher hat einen Film über den Abschied von den eigenen Eltern gedreht. Nun stellt sie "Zum Tod meiner Mutter" in München vor.

Von Josef Grübl, München

Das Ende naht und nur die Kommentare, Tipps oder Ratschläge werden mehr. Jeder davon ist mindestens so gut gemeint wie grauenvoll: "Das finde ich brutal", sagt die eine Bekannte. "Das ist doch schrecklich, gibt es keinen anderen Weg?", meint eine andere. Irgendwann wird es richtig unangenehm, dann dauert es selbst den Gutmeinenden zu lang: "Wieso kann man ihr nicht irgendwas geben, was das jetzt beendet?" Weil sie das nicht wolle, antwortet die Tochter: "Sie möchte niemanden zu ihrem Mörder machen." Also sieht die erwachsene Tochter der Mutter weiter beim Sterben zu, hält ihre Hand, streicht übers Haar, ist einfach da - bis zum letzten Atemzug. Genau darum geht es in "Zum Tod meiner Mutter".

Der Film von Jessica Krummacher behandelt ein Thema, über das niemand gerne spricht, obwohl es irgendwann fast jeden von uns betrifft: der Abschied von den eigenen Eltern. Man sieht es ihm an, dass er auf persönlichen Erfahrungen basiert, dafür weicht er zu sehr von den üblichen Sehgewohnheiten und Erzählkonventionen ab. Mit den sogenannten "Themenfilmen", wie sie von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten regelmäßig produziert und als Sonderprogrammierungen ausstrahlt werden, hat das nichts zu tun. Dafür ist Krummachers Film zu individuell und intim, die aus Bochum stammende und an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) ausgebildete Regisseurin berichtet darin vom Sterbeprozess ihrer schwerkranken Mutter.

Es ist aber ganz klar ein Spielfilm, sie habe das "dokumentarisch-autobiografisch" in die Kunstwelt transformieren wollen, sagt sie. Sie "fiktionalisiere, ohne dabei die Brutalität der wahren Begebenheiten zu verlieren." Zur Brutalität dieser Erzählung gehört auch, dass die von der niederländischen Theaterschauspielerin Elsie de Brauw gespielte Mutter nach jahrelangem Leiden sterben möchte, indem sie das Essen und Trinken aufgibt. So etwas nennt man Sterbefasten, ihre Tochter (Birte Schnöink) kann nicht viel mehr machen, als sie auf diesem letzten Weg zu begleiten. Aus Stunden werden Tage, aus Tage werden Wochen, den Bekannten und Verwandten dauert es zu lang, so manchen Zuschauern vielleicht auch. Irgendwann wird der Tod kommen, anders als im Mainstream-Kino folgt er keinen Regeln.

Für Jessica Krummacher ist das der zweite Spielfilm als Regisseurin, seine Uraufführung hatte er im Februar auf der Berlinale. Vor elf Jahren wurde sie mit ihrem Regiedebüt " Totem" zu den Filmfestspielen in Venedig eingeladen, mit ihrem Lebensgefährten Timo Müller hat sie eine Produktionsfirma gegründet. Die beiden haben sich an der HFF kennengelernt und unterstützen sich gegenseitig bei ihren Projekten, als Produzenten, Dramaturgen oder künstlerische Mitarbeiter. Gerade eben wurde Müllers neue Regiearbeit "Der rote Berg" zum Filmfest München eingeladen, dort läuft er Ende Juni in der Reihe "Neues Deutsches Kino". Für ihn ist das eine Rückkehr, vor 14 Jahren gewann er den Regiepreis für seinen Film "Morscholz". Vorher geht es aber noch um Jessica Krummachers Arbeit: Am Donnerstag, 2. Juni, stellt sie "Zum Tod meiner Mutter" im Münchner Monopol Kino vor. Der reguläre Kinostart des Films ist eine Woche später, am 9. Juni.

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