Süddeutsche Zeitung

Glockenbachviertel:"The Pissoir": Ein Klohäuschen als Memorial für Freddie Mercury

Lesezeit: 2 min

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Das Klohäuschen am Holzplatz hat schon viele inspiriert: Mal sollte es ein Kiosk, dann zum Würstelstand werden, zuletzt war eine kleine Eisdiele im Gespräch. Doch das Pissoir steht unter Denkmalschutz, auch hat es einige Anhänger im Glockenbachviertel, die keine Veränderung wünschen. Und es gibt Anwohner, die bei jedem neuen Antrag befürchten, dass die Verwirklichung das Leben am Holzplatz zur Hölle machen könnte, zumindest aber die Nachtruhe stören.

Der Bezirksausschuss (BA) Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt setzt sich nun für eine Initiative aus dem Stadtviertel ein, die das Pissoir künstlerisch gestalten will - in Zwischennutzung, solange kein dauerhafter Nutzer oder Pächter gefunden ist. Künstler sollen eingeladen werden, die Außenwände des Pissoirs mit temporären Werken zu gestalten, so der Vorschlag des Glockenbacher Verlegers und Autors Martin Arz, der auch Münchens bislang größte Street-Art-Aktion, das Urban-Art-Festival im Viehhof vor zwei Jahren, mitorganisiert hat.

Die gusseisernen Elemente des Klohäuschens - vor allem sie sind mit Denkmalschutzauflagen belegt - sollen von der Gestaltung ausgenommen werden. Martin Arz schlägt vor, dass die Künstler einen Bezug zwischen Kunst und Ort herstellen. Es sollte inhaltliche Vorgaben geben, sagt er: beispielsweise Schwulenviertel, Glockenbach, Isar oder Flößerei. Der Name Holzplatz kommt von der Flößerei: Bis zur benachbarten Westermühle konnten früher Holzstämme getriftet werden.

Das Pissoir, ein gusseisernes Oktagon aus dem Jahr 1900, ist seit mehr als 20 Jahren nicht mehr in Betrieb und verschlossen. Die Denkmalschutzliste beschreibt es als "oktogonalen Pavillon" und "Tempietto", also kleinen Tempel. In unmittelbarer Nähe lebte mehrere Jahre der Rockmusiker Freddie Mercury - erst an der Pestalozzi-, dann an der Hans-Sachs-Straße.

Ideal wäre es, so Martin Arz, aus dem kleinen Tempel einen Gedenkort für zwei seiner prominentesten Glockenbacher Nutzer zu machen: Freddie Mercury und den Regisseur Rainer Werner Fassbinder, der lange an der Reichenbachstraße wohnte. "Somit hätte München ein Memorial für die beiden großen Künstler, die hier gelebt und gearbeitet haben."

Die Zwischennutzung kann schnell wieder beendet werden

Kulturelle Nutzungen von Toilettenanlagen hätten sich in München bereits bewährt, so Arz. Er verweist auf das "Klohäuschen" am West-Tor der Großmarkthalle. Einen Namen hält das Glockenbacher Konzept auch schon vor: "The Pissoir" - in Anlehnung an das Berliner Projekt "The Haus", wo kürzlich hundert Urban-Art-Künstler eine Bank auf fünf Etagen in ein begehbares Kunstwerk verwandelten.

Die vorgeschlagene künstlerische Zwischennutzung könne sehr kurzfristig und mit überschaubaren Kosten einen Anstoß zur Verbesserung der Situation am Holzplatz geben, hieß es im BA. Sie sei so angelegt, dass sie flexibel und schnell beendet werden könne. Dem BA gefiel besonders, dass das Konzept Stadtviertel-Themen aufgreifen will. Angesichts der Entwicklung in der unmittelbaren Umgebung des Holzplatzes - gemeint war die Müllerstraße, die in diesem Bereich wegen der vielen Kneipen und Ausgehfreudigen zur sogenannten "Feierbanane" gehört - solle überprüft werden, ob eine kulturelle nicht dauerhaft einer kommerziellen Nutzung des Pissoirs vorzuziehen sei.

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SZ vom 29.06.2017
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