Süddeutsche Zeitung

Freising/Taufkirchen:Polizei schweigt zu Details

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Nach dem Mord an einer 28-jährigen Lehrerin ist der Verdächtige offenbar nicht haftfähig. In Freising, wo das Opfer gearbeitet und gewohnt hat, versuchen nun alle, das Geschehene zu verarbeiten.

Von Regina Bluhme und Florian Tempel, Freising/Taufkirchen

Schon die spärlichen Informationen, welche die Polizei in der ersten Pressemitteilung zum Mord an einer 28-jährigen Frau in Taufkirchen mitteilte, haben deutlich gemacht: Die Frau ist offensichtlich Opfer einer Beziehungstat geworden. Die Fachlehrerin, die an mehreren Schulen im Landkreis Freising arbeitete und dort wohnte, war am frühen Mittwochabend als vermisst gemeldet worden, da sie "mehrere Termine nicht wahrgenommen hatte". Neben Kollegen und Vorgesetzten machten sich auch Angehörige der jungen Frau Sorgen, weil sie sie nicht mehr erreichen konnten.

Um 21.30 Uhr erhielt die Polizei den finalen Hinweis auf ihren 34 Jahre alten Freund, der in Taufkirchen in einem Appartement in der Erdinger Straße lebt. Daraufhin fuhr eine Streife der Polizeiinspektion Dorfen zu der Adresse. In der Wohnung fand die Polizei wenig später nicht nur die Leiche der vermissten Frau, sondern auch den 34-jährigen Wohnungsinhaber, der sich offenbar selbst Verletzungen beigebracht hatte und nach seiner Festnahme in ein Krankenhaus kam. Auf welche Weise der mutmaßliche Täter die Frau umgebracht hat, will die Polizei aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht bekannt geben. Die Ermittler der Kripo Erding und der Staatsanwaltschaft haben zwar schon das vorläufige Obduktionsergebnis aus der Rechtsmedizin in München, schweigen sich aber zu Tötungsart und zu allen Details aus. Auch zum Tatverdächtigen wollte die Polizei vorerst wenig sagen, außer Alter und Staatsangehörigkeit. Gegen ihn erging am Donnerstag "wegen des Verdachts des Mordes Haftbefehl durch den zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Landshut". Am Freitag war der Mann jedoch noch nicht in Untersuchungshaft genommen worden. Aufgrund seiner äußeren Verletzungen oder seines psychischen Zustands ist er offenbar aktuell nicht haftfähig.

Beratungslehrer und Schulpsychologen stehen für Gespräche zur Verfügung

Vor einer sehr schwierigen Situation stehen im Landkreis Freising derweil Kollegen und Kolleginnen der 28-Jährigen, ihre Schüler und Schülerinnen und deren Eltern. Der Freisinger Schulamtsdirektor Bernhard Kindler, zuständig für die Grund- und Mittelschulen, hatte am Freitag zu einem Pressegespräch geladen. Mit Informationen über die Getötete hielt er sich bedeckt. Am Donnerstag sei unter seiner Federführung ein Krisenteam zusammengestellt worden mit der betroffenen Schulleitung, mit Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern und mit Hans-Joachim Röthlein, Schulpsychologe am Schulamt Freising und zugleich Mitglied im Kriseninterventions- und -bewältigungsteam bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen (KIBBS).

Noch am Donnerstag wurde ein Infoschreiben über den Elternbeirat und die Klassenelternsprecher an die Eltern verschickt. Am Freitag standen Beratungslehrer und Schulpsychologen für Gespräche in den Schulen zur Verfügung. Auch Schüler, die aufgrund des Corona-bedingten Wechselunterrichts am Freitag Home-Schooling hatten, konnten in einem eigenen Zeitfenster die Beratung vor Ort wahrnehmen, so Kindler. "Wir mussten schnell handeln, denn wir hatten die Befürchtung, dass sich sonst am Wochenende alles sehr aufbauscht."

Man hat sich bewusst entschieden, den Unterricht nicht abzusagen

Bewusst habe man sich entschieden, den Unterricht nicht abzusagen,- "nicht um etwas wegzudrängen, sondern um möglichst in einen Rhythmus reinzukommen", so Kindler. Mit den Lehrkräften war ausgemacht, dass sie auf das Thema nur so weit eingehen, "wie die Schüler von sich aus aktiv fragen". Es gab eine einheitliche Verlautbarung für alle Lehrkräfte, mit der sie darüber informieren, dass die Lehrerin gewaltsam zu Tode gekommen ist.

Die Unsicherheit war groß, wie der einzelne reagieren würde, je nach eigener Lebenssituation oder auch Kontakt zu der Getöteten. Bis Freitagvormittag hatte der Schulamtsdirektor keine Rückmeldung über besondere Vorkommnisse. "Es scheint alles ruhig abzulaufen." In einer Woche beginnen die Pfingstferien, das könne von Vorteil sein, "das schafft Abstand". Für das Gedenken an die 28-Jährige müsse an den Schulen vor Ort die passende Form gefunden werden, sagte Kindler. Er befürchtet, dass bei der Gerichtsverhandlung wieder "etwas hochkochen" könnte. "Wir werden mittel- und langfristig Hilfsangebote benötigen."

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SZ vom 15.05.2021
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