Süddeutsche Zeitung

Freising und Slowenien:Geschichte einer langen Beziehung

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Slowenien ist Ehrengast bei der Buchmesse, die bis Sonntag in Frankfurt stattfindet. Zwischen dem slawischen Land und der Domstadt Freising besteht eine enge Verbindung, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht.

Von Francesca Polistina, Freising

Es ist wieder die Zeit des Jahres, in der Feuilletons und Verlage in Aufregung sind. In Frankfurt am Main findet vom 18. bis zum 22. Oktober die größte Buchmesse Europas statt, die wie jedes Jahr ein offizielles Gastland hat. Diesmal ist das Slowenien: gefallen dürfte das nicht nur den dortigen Schriftstellern und sonstigen Bücherfans, sondern auch Freising. Denn zwischen dem Land und der Domstadt existiert, zumindest historisch, eine intensive Verbindung.

Um diese Gemeinsamkeiten zu erklären, sollte man bei Škofja Loka beginnen. Škofja Loka ist seit 2004 Partnerstadt von Freising. Sie liegt etwa 20 Kilometer von der Hauptstadt Ljubljana entfernt und gilt als eine der best­er­hal­tenen mittel­al­ter­lichen Städte Slo­we­niens. Die gemeinsamen Wurzeln reichen in das Jahr 973 zurück, als Kaiser Otto II. die Siedlung - erst später wurde sie zu einer Stadt - und das Land um Škofja Loka dem Bischof Abraham von Freising schenkte. Abraham von Freising entsandte in die Besitzung "als erste Kolonisten" Freisinger Bauer, die mit den Bewohnern lebten und weite Gebiete urbar machten, so der Historiker Peter Pfister in einem Beitrag.

Doch wie kam es dazu? Im 10. Jahrhundert expandierte das Heilige Römische Reich nach Südosten und es war nicht unüblich, dass die deutschen Kaiser den loyalen Bischöfen Besitzungen schenkten, erklärt der Freisinger Stadtarchivar Florian Notter. Die Freisinger Bischöfe hatten in Slowenien mehrere Besitzungen. Die Stadt Škofja Loka, die damals Bischoflack hieß, war die größte davon und laut dem Historiker Benno Hubensteiner (1924-1985) ein Lieblingssitz der Bischöfe. Dort missionierten sie und kümmerten sich um die Verwaltung. Außerdem nutzten sie die Gebieten, um aus den landwirtschaftlichen Erträgen sich selbst zu finanzieren.

Mehr als acht Jahrhunderte lang regierten in Škofja Loka die Freisinger Bischöfe, die manche Spuren hinterlassen haben, wie zum Beispiel im Stadtwappen. Dieses zeigt nämlich eine Figur, die in der Domstadt durchaus bekannt ist: den Freisinger Mohren, der immer noch als Symbol des Landkreises gilt. Peter Hawlina, Mitbegründer der Slowenischen Genealogischen Gesellschaft, schreibt in einem Beitrag, dass die Gestalt des Mohren und das Wort Freising selbst "in den Benennungen von Gaststätten und wirtschaftlichen Unternehmen" erscheinen.

Die Herrschaft der Freisinger Bischöfe über Škofja Loka ging mit der Säkularisierung 1803 zu Ende. Die Stadt fiel an die Habsburger und jede Art von Verbindung zwischen Freising und Slowenien wurde unterbrochen, so Archivar Notter. Erst in den 1990er Jahren, auf Initiative des damaligen Leiters der Musikschule Josef Goerge, wurden die Kontakte neu geknüpft und intensiviert, bis eben zur Partnerschaft 2004. Als im vergangenen August die schweren Regenfälle in Slowenien zu Überschwemmungen in Škofja Loka führten, bat Freising um Spenden für die Partnerstadt. Auch ein THW-Team aus Freising reiste nach Slowenien.

Doch die Beziehung zwischen Freising und Slowenien ist auch aus einem anderen Grund in die Geschichte eingegangen: wegen der sogenannten "Freisinger Denkmäler". Als solche wird eine Reihe von insgesamt drei kirchlichen Texten bezeichnet, die in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts niedergeschrieben wurden. Die "Freisinger Denkmäler" gelten bis heute als das älteste bekannte Dokument in slowenischer Sprache, weshalb sie für Sprachwissenschaftler von immenser Bedeutung sind.

Entstanden sind die drei Texte vermutlich in Oberkärnten, wo das Freisinger Bistum weitere Besitzungen hatte. Bei dem ersten und dritten Denkmal handelt sich um die Formel einer allgemeinen Beichte, das zweite ist hingegen eine Predigt. Die Pergamentblätter, die dem damaligen Bischof Abraham von Freising als Missionshandbuch dienten, wurden mit anderen ähnlichen Dokumenten in einen Kodex eingebunden, der zum Privatbesitz des Bischofs gehörte. Der Kodex wurde lange in Freising und nach der Säkularisation in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt, wo er wiederentdeckt wurde und wo er sich immer noch befindet.

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