Süddeutsche Zeitung

Fünf Jahre Pariser Klimaabkommen:"Ins Gelingen verliebt sein"

Lesezeit: 3 min

Das Pariser Klimaabkommen wird fünf Jahre alt. Europa- und Bundespolitiker sehen mehrheitlich große, aber notwendige Herausforderungen. Kleine Schritte sind laut Bundestagsabgeordnetem Erich Irlstorfer (CSU) nicht die Lösung.

Von Thilo Schröder, Freising

Einem Vorschulkind würden die meisten noch keine Uhr zum Geburtstag schenken. Der Weltgemeinschaft aber wird man an diesem Samstag zum fünften Jahrestag des Pariser Klimaabkommens eine Stoppuhr vorhalten. Denn die Zeit drängt. Laut Bundesumweltministerium sind die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland zwischen 1990 und 2019 um geschätzt 35,7 Prozent gesunken. Bis zur angestrebten Klimaneutralität bleibt also noch viel zu tun. Freisinger Abgeordnete im Bundestag und Europaparlament erachten getroffene Vereinbarungen mehrheitlich als richtig und notwendig - oder lehnen sie ab.

Das Pariser Klimaabkommen vom 12. Dezember 2015 hat einen globalen Rahmen festgelegt, um die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu halten. Ziel ist ein Temperaturanstieg von maximal 1,5 Grad, wie ihn auch die Fridays-for-Future-Bewegung fordert. Daneben sollen die fast 190 Vertragsparteien - darunter die EU und ihre Mitgliedstaaten - zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels gestärkt werden. Die EU verhandelt zusätzlich über einen Green Deal, um bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu sein. Als Zwischenziel sollen die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden (das Paris-Abkommen sieht 40 Prozent vor); auch die Bundesregierung hat sich dieses Ziel gesetzt.

"Kleine Schritte sind nicht die Lösung"

"Kleine Schritte sind nicht die Lösung", sagt der Freisinger Erich Irlstorfer. Er sitzt für die CSU seit 2013 im Bundestag. Vielmehr müsse man beim Klimaschutz "dicke Bretter bohren", ihn als "Kernthema der Politik sehen". Bis 2030 bundesweit 55 Prozent der Treibhausgase einzusparen, bezeichnet er als "hohes Ziel", das aber nötig sei, um tief greifende Veränderungen anzustoßen. Irlstorfers Parteikollegen im Landtag haben vor wenigen Wochen mit den Freien Wählern ein eigenes bayerisches Klimaschutzgesetz beschlossen. Opposition, Naturschützer und Freisings Klimaschutzmanagerin kritisierten es allerdings als wenig zielführend, als sehr vage, unverbindlich und ambitionslos.

Das Paris-Abkommen sei notwendig gewesen, "das hat an Bedeutung nicht verloren, eher noch gewonnen", sagt Irlstorfer. Es umzusetzen sei indes eine "Aufgabe enormer Dimension, da darf man nichts schöner reden, als es ist". Klug gewählt worden sei im Paris-Abkommen der Ambitionsmechanismus. Dieser verpflichtet die Unterzeichner, ihre nationalen Klimaschutzbeiträge alle fünf Jahre vorzulegen.

"Das Pariser Klimaschutzabkommen ist ein historischer Meilenstein im Kampf gegen den Klimawandel", sagt Angelika Niebler. Die CSU-Politikerin sitzt seit 1999 im Europaparlament, unter anderem für den Landkreis Freising. "Ohne uns Europäer wäre das Abkommen nicht abgeschlossen worden. Darauf können wir schon stolz sein." Schon 2008 habe man sich für 2020 "ambitionierte Klimaschutzziele" gegeben. Unter anderem: 20 Prozent weniger CO₂-Ausstoß und 20 Prozent mehr erneuerbare Energien.

Es tut sich viel, findet Niebler

Beim Klimaschutz sei "jeder gefordert, jeder Einzelne und jede politische Ebene", sagt Niebler. Laut Homepage ist ihr Subsidiarität sehr wichtig, also das Lösen politischer Probleme auf der niedrigst möglichen Ebene. "Deutschland und Bayern investieren massiv in saubere intelligente technologische Lösungen, schaffen Anreize für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Förderung der Energieeffizienz." Auch in den Gemeinden und Landkreisen sei "viel Bewegung". Der Wald werde nachhaltig bewirtschaftet, das Freisinger Moos etwa sei natürlicher Speicher von Kohlendioxid. "Es tut sich sehr viel."

Entgegengesetzt äußert sich der Freisinger Bundestagsabgeordnete Johannes Huber. "Wir als AfD-Fraktion fordern Deutschlands vollständigen Ausstieg aus dem Pariser Klimaübereinkommen." In einem Antrag im September fordere man, "alle nationalen wie internationalen Verpflichtungen, die derzeit in Bezug auf den 'Klimaschutz' eingegangen werden, zu beenden und keine zukünftigen Verpflichtungen mehr einzugehen".

Die Ausrufung des Klimanotstandes in Gemeinden im Landkreis Freising sei bei ihm "auf völliges Unverständnis gestoßen", so Huber. Immer neue Umweltauflagen verteuerten den Bau von Wohnraum und Infrastruktur, Mieten würden durch energetische Sanierungen für viele unerschwinglich. Statt moderne Kernkrafttechnik näher zu erforschen, "verschandeln immer mehr Windkraftanlagen unsere wunderschöne Heimat", kritisiert er und fordert: "Die von Ideologie getriebene Fehlentwicklung muss endlich ein Ende haben."

In Freising ist man sowieso sensibilisiert

Nach der Corona-Pandemie müsse das Land nachhaltig ausgebaut, der Einschnitt als Chance betrachtet werden, um zukunftsorientierte Technologien nach vorne zu bringen, sagt dagegen Irlstorfer. Gerade der "Hochtechnologiestandort Weihenstephan" biete einen "Mehrwert". Ergebnisse der dortigen Forschung müssten "auch national verankert" werden. Irlstorfer verweist vor diesem Hintergrund auf das geplante Fraunhofer-Zentrum in Freising und Kempten mit einem Schwerpunkt auf nachhaltige Lebensmittelerzeugung. Umfang: 40 Millionen Euro, je zur Hälfte von Bund und Freistaat finanziert.

Freisinger seien durch die Umweltbelastung des Flughafens und Verkehrs "natürlich extrem sensibilisiert", sagt Irlstorfer. Er sei "schon dahinter, dass man das als ein sehr wichtiges Thema erachtet". Gerade die Stadt Freising sei beim Klimaschutz "ordentlich aufgestellt".

Nicht zuletzt gelte es, Klimapolitik, engagierte Bürger und Wirtschaft auf Augenhöhe zusammenzubringen, sagt Erich Irlstorfer, hin zu einer anderen Geisteshaltung: "Ins Gelingen verliebt sein".

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