Süddeutsche Zeitung

Photovoltaik-Boom:Warum nicht gleich so?

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Seit Jahrzehnten werden die Erneuerbaren als krisensicher angepriesen - für die richtige Nachfrage scheint es allerdings einer richtigen Krise zu bedürfen.

Kommentar von Wieland Bögel

Gut eine Generation ist es her, da begannen die Dächer auf dem Land die Farbe zu wechseln. Statt roter Ziegel gab es immer mehr dunkelblaue Solaranlagen auf Stadeln, Schuppen und Scheunen. Auch in so manchem Wohngebiet hielt die Photovoltaik Einzug, fast schien es, als wäre die umweltschädliche Stromerzeugung ihrem Ende nah. Was dann allerdings fast an ihr Ende kam, war die Energiewende, speziell jene auf Solarbasis. Der Grund - wie so oft - der Markt, mit freundlicher Unterstützung einer Politik, die stets ein offenes Ohr für die Bedürfnisse jener hatte, die mit fossilen Energieträgern viel Geld verdienten. Derzeit tun sie dies ganz besonders - nur scheint es immer mehr Leute zu geben, die ein Ende des fossilen Profitstrebens wünschen, wie das Beispiel der großen Nachfrage an privaten PV-Anlagen zeigt.

Dass diese viele Vorteile haben, werden die allerwenigsten bestreiten - diese Vorteile selbst zu nutzen, das haben in den vergangenen Jahren dennoch nur die allerwenigsten auch getan. Knapp 14 Prozent des im Landkreis Ebersberg verbrauchten Stroms stammt aus Photovoltaik, im Landkreis München sind es sogar nur etwas mehr als vier Prozent. Wenn man davon noch die Großanlagen etwa auf Gewerbehallen oder Freiflächen abzieht, bleibt für Privatleute ein ziemlich geringer Anteil übrig. Warum das so sein könnte, hat der Chef der Energieagentur Ebersberg-München, Willie Stiehler, so formuliert: "Photovoltaik war immer ein grünes Thema." Also eines für Leute, die, wie es Berti, der Protagonist eines Kultfilms aus der Zeit, als die ersten PV-Anlagen auf die Dächer kamen, so formulierte: "Müsli fressen, Fahrrad fahren." Wer also versuchte, vom Nutzen der Solaranlage auf dem Dach zu überzeugen, hatte schnell das Image des Öko-Zausels weg.

Daneben schien es aber auch immer ganz handfeste Argumente dagegen zu geben, eine an sich nützliche Technik nicht gerade auf dem eigenen Haus zu installieren. Allen voran die Kosten: Durch die mittlerweile nahezu auf Null gesetzte Einspeisevergütung dauert es viele Jahre, bis sich eine PV-Anlage amortisiert - beziehungsweise: dauerte. Denn je höher der Strompreis, desto eher rentiert sich auch die Anlage, welche Strom nicht ins Netz speist, sondern nur zum Eigenverbrauch generiert, gerade in Verbindung mit den immer besseren Speichermöglichkeiten. Der Rest ist, wie es James Carville, Wahlkampfmanager von Bill Clinton, ebenfalls vor knapp drei Jahrzehnten so eingängig formulierte: "The economy, stupid!"

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