Süddeutsche Zeitung

Brauereien im Landkreis Ebersberg:Angst vor leeren Flaschen

Lesezeit: 3 min

Der Lieferstopp von CO2 hat dramatische Auswirkungen auf die Brauereien im Landkreis Ebersberg: Manche Getränke werden jetzt schon nicht mehr produziert.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Vor einer Woche schien in der Welt des Brauens alles in Ordnung. So erzählt es Erich Schweiger, Geschäftsführer Technik und Technologie bei der Brauerei Schweiger in Markt Schwaben. Am vergangenen Freitag bestätigte der CO2-Lieferant noch die Zustellung des Gases, das unter anderem für das Abfüllen von Bier dringend benötigt wird. Am Montag dann die Nachricht: totaler Lieferstopp. Und das voraussichtlich bis Ende des Jahres. "Das kam völlig unerwartet", so Erich Schweiger. Seitdem herrscht in dem mittelständischen Unternehmen Alarmstimmung. Ein Krisenstab wurde eingerichtet, der sich Tag und Nacht damit beschäftigt, wie man die Situation in den Griff bekommen könnte. Einige Produkte werden derzeit sogar schon nicht mehr hergestellt, wie zum Beispiel Orangenlimonade, die bei der Herstellung besonders viel Kohlendioxid benötigt.

Händeringend wird nun in der Brauerei Schweiger nach Alternativen gesucht, auch helfen andere Brauereien aus, die noch CO2 übrig haben. Alles jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein, erklärt Erich Schweiger: "Die Auswirkungen sind dramatisch." CO2 wird beispielsweise zum Füllen der Bierflaschen gebraucht: Bevor das Bier langsam hineingegossen wird, werden die Flaschen evakuiert und mit Kohlendioxid vorgespannt, das heißt, es wird ein Innendruck erzeugt. So wird ein Aufschäumen verhindert; außerdem hat das Auswirkungen auf die Alterung und den Geschmack des Bieres. Auch bevor ein Biertank befüllt wird, wird CO2 zur Vorspannung verwendet. Für die Herstellung von Erfrischungsgetränken wie Spezi, Limonade oder Mineralwasser ist das Industriegas ebenfalls unentbehrlich. "Wir werden Woche für Woche versuchen, eine Lösung zu finden, um nicht die ganze Produktion einstellen zu müssen", sagt Schweiger. "Wir leben derzeit von der Hand in den Mund."

Der Mangel an CO2 hängt mit den hohen Energiepreisen zusammen. Das Industriegas ist ein Nebenprodukt bei der Herstellung von Düngemitteln. Die Düngemittelproduktion aber wurde in den vergangenen Monaten mehr und mehr in andere Länder verlegt, in denen die Energiepreise noch nicht so hoch sind wie hierzulande, etwa in die USA. Gleichzeitig wurde die Produktion in Deutschland massiv heruntergefahren. Anfangs wurde das Kohlendioxid noch zu deutlich höheren Preisen weiter verkauft, bis es schließlich für die betroffenen Firmen unwirtschaftlich wurde. Nun wird das Industriegas, über das sich vorher kaum jemand groß Gedanken gemacht hat, knapp. Und nicht nur die Getränkebranche ist betroffen: Auch in den Molkereien und Schlachtereien, in der chemischen Industrie oder auch in der Medizintechnik wird das Gas dringend benötigt.

Viele Branchen sind auf CO2 angewiesen

"Die momentane Situation ist für die Brauereien ein Wahnsinn", sagt Walter König vom Bayerischen Brauerbund. Gerade könne man nicht sagen, wo man Kohlendioxid schnell herbekommen soll. Einige Brauereien hätten bereits die Befüllung von 0,33-Liter-Flaschen eingestellt, da hier mehr CO2 verbraucht wird, als man Bier bekomme, so König. Auch würden vor allem große Brauereien manchmal schon CO2-Rückgewinnungsanlagen betreiben und könnten so den Engpass abfedern. Eine weitere Möglichkeit seien Stickstoffanlagen: Aus der Luft wird Stickstoff gewonnen, der etwa im Bereich des Sudhauses zum Vorspannen verwendet werden kann. Für das Befüllen von Flaschen ist reiner Stickstoff jedoch ungeeignet. Außerdem sei all das keine kurzfristige Lösung, so König: "Erst einmal muss man diese Stickstoffanlagen besorgen, installieren, ein Netz schaffen. Dann muss auch noch eine Möglichkeit geschaffen werden, das Ganze komprimiert zu speichern."

Vorgesorgt, soweit es geht, hat man beim Grafinger Wildbräu. "Wir wissen, dass das CO2 superknapp ist", sagt Brauereichef Gregor Schlederer. "Zum Glück hat unser Braumeister vor einem Monat, als das CO2 schon mal knapp wurde, alle Hebel in Bewegung gesetzt und sein ganzes Telefonbuch durchtelefoniert." Auch besitzt die Grafinger Brauerei einen Stickstoffgenerator, mit dem man zumindest ein bisschen an CO2 einsparen kann. Zumindest für die kommende Woche sei das Gas gesichert. Eine Garantie könne einem momentan aber kein Lieferant geben.

Schon im Voraus mehr CO2 eingekauft hat Johann Reinwald vom Saliterbräu, einer kleinen Brauerei aus Oberpframmern. "Vor einigen Monaten hat eine Lieferung, die eigentlich sonst innerhalb einer Woche da ist, acht Wochen gebraucht", erzählt er. Daraufhin habe er sich entsprechend eingedeckt, um über den Winter zu kommen.

Die Brauer fordern Hilfe von der Politik

Nun sei die Politik am Zug, findet Erich Schweiger von der Markt Schwabener Brauerei Schweiger: "Derart massive Störungen können wir allein nicht lösen." Auch Walter König vom Bayerischen Brauerbund fordert: "Mit der Bundesregierung und den Landesregierungen werden wir einen Krisenstab brauchen." Das Bier sei da, könne aber nicht mehr lange abgefüllt werden.

Von den Brauern eingeschaltet wurde etwa schon Europaparlamentarierin Angelika Niebler (CSU) aus Vaterstetten. Auch sie konstatiert: "Die Lage ist nicht nur ernst, sondern dramatisch." Und sie fordert: "Wir müssen unkonventionell und über die Landesgrenzen hinweg denken." Auch in anderen Sektoren als der Düngemittelindustrie werde CO2 als Nebenprodukt ausgeschieden, so beispielsweise in Zementwerken. Niebler setzt sich derzeit dafür ein, diese Betriebe untereinander zu vernetzen. "Es ist wichtig, dass die Betriebe in der Durststrecke, die wir gerade durchlaufen, eine Perspektive haben, und dass die Produktion nicht komplett gestoppt wird", so Niebler.

Für die Brauereien ist der CO2-Lieferstopp ein Schock. In den nächsten Tagen und Wochen werden die Auswirkungen dann auch beim Verbraucher ankommen. Zumindest einen Lichtblick gibt es: Das Bier für das Oktoberfest ist gesichert. Denn dieses wird als Fassbier oder in Containern geliefert - und ist in der Regel nach einem Tag aufgebraucht.

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