Süddeutsche Zeitung

Lebenswerk:Wie Musik Persönlichkeiten hervorbringt

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Dorothée Kreusch-Jacob hat mit ihren Kinderbüchern und -CDs ganze Generationen begleitet. Jetzt wird sie 80.

Von Oliver Hochkeppel, Ottobrunn

Wer weiß, wie viele Mütter und Väter unglücklicher und mit weniger Schlaf durch ihre Elternzeit gekommen wären, wie viele Kinder nie die Musik und ihre eigene künstlerische Kreativität entdeckt hätten, ja wie viele Musiker es heute weniger gäbe. Ohne Dorothée Kreusch-Jacob und ihre vielen LPs, CDs und Bücher. Ganze Generationen sind inzwischen mit dem Lebenswerk der Musikpädagogin, Liedermacherin und renommierten Autorin aufgewachsen, die an diesem Montag 80 Jahre alt wird.

Sie wird in Ottobrunn feiern, wo die Familie seit langem lebt. Nach München hatte es Dorothée Kreusch-Jacob einst zum Studium verschlagen. Geboren und aufgewachsen ist sie in Ravensburg, was man noch bis heute im Gespräch hören kann, wenn sie sich nicht um Hochdeutsch bemüht. Nach ihrem Meister-Diplom im Fach Konzertpianistin gründete sie das "Münchner Klavierquartett", das sehr erfolgreich war: Man gab Konzerte im In- und Ausland, machte etliche Rundfunk-und Tonaufnahmen und durfte sogar Uraufführungen neuer Werke spielen. Aber wie das damals noch (öfter) so war, die Karriere bekam einen Knick, als Kreusch-Jacob Mutter wurde. Nie war sie indes glücklich gewesen mit dem Druck und der künstlerischen Eingeschränktheit, wie sie auf einer Konzertpianistin lasten. Über die Kinder fand sie jetzt ihre Berufung: die Musikpädagogik.

Ihre Erkenntnis: Es gibt keine unmusikalischen Menschenkinder

Ihre Arbeit und deren großer Erfolg fußen auf mehreren Erkenntnissen. Zum einen, dass es keine unmusikalischen Menschenkinder gibt - also weder Menschen noch Kinder: Rhythmus steckt schon über den Herzschlag in jedem, und Singen ist eine natürliche, befreiende Sprache. Zum anderen, dass man Kinder nicht unterschätzen und ihnen nur "Kindgerechtes" servieren darf. Wirklich gute Musik (wie Kultur ganz allgemein) für Kinder gefällt auch Erwachsenen, bei Kreusch-Jacob beinhalten die Lieder ganz selbstverständlich alles von der Klassik bis zum Jazz. Das ist wohl der Schlüssel dazu, dass ihre Bücher und CDs in so vielen Familien so langlebig sind und viele ihrer mehreren hundert Lieder zu Hause wie in Kindergärten rauf und runter gesungen werden.

Noch etwas ist dabei entscheidend. So sehr die Musik im Mittelpunkt ihrer vielen und vielfach preisgekrönten Werke steht, so sehr geht es doch auch darüber hinaus. In Kreusch-Jacobs ganzheitlichem Denken ist Musik ein integraler, aber eben nur ein Teil des menschlichen Spieltriebs, des lustvollen Lernens mit allen Sinnen. Als Basis für die Persönlichkeitsbildung wie Intelligenzentwicklung von Kindern, als Schutzmantel gegen so manche physische wie psychische Belastungen des Lebens, untrennbar verbunden mit Bewegung und Sprache. Heute alles Erkenntnisse der Wissenschaft, die Dorothée Kreusch-Jacob in der Praxis schon seit den Siebzigerjahren vorweggenommen hat.

Und für deren Gültigkeit die eigene Familie vielleicht das beste Beispiel ist. Sind doch alle ihre drei Kinder ihren musischen Anstößen gefolgt und international renommierte Künstler geworden: Cornelius Claudio Kreusch als gefeierter Jazzpianist, der auch als Produzent, Unternehmer und künstlerischer Leiter erfolgreich ist; Johannes Tonio Kreusch als nicht weniger anerkannter klassischer Gitarrist, Dozent und Festivalleiter (freilich erst nach einem Philosophiestudium); Carolina Camilla Kreusch schließlich als preisgekrönte und mit Professuren betraute Bildhauerin und Objektkünstlerin. Sie alle waren und sind auch von Anfang an an den Alben der Mutter beteiligt; heute produziert Cornelius Claudio Kreusch sie und bringt befreundete Musiker bis hin zu Weltstars mit an den Start.

So auch beim bald - und erstmals bei GLM - erscheinenden neuen Album "Kids! Songs, Raps & coole Töne", wo der Bassist Zaf Zapha, der selbst bereits herausragende Kinder-Hörbücher gemacht hat, der Bumcello-Schlagzeuger Cyril Atef oder die Jazzsängerin Elisabeth Kontomanou mit von der Partie sind. In einen "Ruhestand" geht Dorothée Kreusch-Jacob also auch mit 80 nicht, schließlich hört kreatives Lernen wie Lehren nie auf.

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