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Neue Landkreisgymnasien:Gymnasien in Karlsfeld und Röhrmoos nehmen Gestalt an

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Beim Bau der neuen Gymnasien in Karlsfeld und Röhrmoos legen die Kreisräte großen Wert auf ökologisches Bauen. Angesichts von Gesamtbaukosten in Höhe von rund 88 Millionen Euro stellt sich manchem aber die Frage, wie hoch man die Ansprüche schrauben sollte

Von Jacqueline Lang, Dachau

Bis spätestens 1. September 2025 müssen die beiden Gymnasien in Karlsfeld und Röhrmoos fertiggestellt werden, denn dann erfolgt die Umstellung von G 8 auf G 9. Noch steht keine der beiden Schulen, doch zumindest für das Karlsfelder Gymnasium gibt es nun einen ersten Vorentwurf, für Röhrmoos hat die Verwaltung immerhin die ersten planerischen Eckpfeiler festgezurrt, so dass Ende des Jahres zumindest die Ausschreibung abgeschlossen sein soll. Januar 2023 könnte dann mit dem Bau begonnen werden.

Beide Gebäude werden nach dem Münchner Lernhauskonzept gestaltet: Schüler aller Jahrgangsstufen lernen hierbei in sogenannten Clustern, die aus mehreren Klassenzimmern sowie Räumen für die ganztägige Betreuung und einem Teamzimmer für Lehrkräfte und pädagogisches Personal bestehen. Diese Räume gruppieren sich um den "Marktplatz", der die Mitte der Einheit bildet. Dieses Zentrum soll viele Möglichkeiten für Individualisierung sowie Gruppenarbeiten, aber auch Entspannung bieten.

Das Thema Nachhaltigkeit ist zu einem zentralen Kriterium in der Planung geworden. Die Fraktion der Grünen hatte im Januar beantragt, künftige Bauvorhaben und somit auch die beiden Gymnasien nach DGNB - kurz für Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen - zertifizieren zu lassen. Für den Landkreis bedeutet das jedoch nicht nur höhere Standards beim Bau, sondern auch Mehrkosten. Für den Bau des vierten Gymnasiums in Karlsfeld wurde ein externes Büro mit der Vorzertifizierung nach DGNB beauftragt. Die dafür erforderlichen Honorarkosten sowie die Gebühren für die Vorzertifizierung belaufen sich auf insgesamt 21 000 Euro.

Wenn das Büro die Entwurfsphase weiter begleiten solle, so Jörg Bögeholz in einer Sitzung des Schul- und Kreisausschusses, dann würden dafür noch einmal Honorarkosten in Höhe von 25 000 Euro fällig. Der Sachgebietsleiter Hochbau und Gebäudemanagement sprach sich für die Begleitung durch Experten aus - unabhängig davon, ob man sich letztlich für eine Zertifizierung entscheide oder nicht. Auch Landrat Stefan Löwl (CSU) sagte, "Benchmarking", also die Vergleichbarkeit, sei mittlerweile auf allen Ebenen enorm wichtig, auch "um zu wissen wo wir stehen".

Die DGNB legt ihrer Einschätzung insgesamt sechs Kriterien zugrunde: die Ökobilanz des Gebäudes, die Risiken für die lokale Umwelt, verantwortungsbewusste Ressourcengewinnung, den Trinkwasserbedarf und das Abwasseraufkommen, die Flächeninanspruchnahme sowie die Biodiversität am Standort. Wer alle Kriterien zu 100 Prozent erfüllt, bekommt eine Platin-Zertifizierung. Nach jetzigen Berechnung liegt laut Bögeholz der Gesamterfüllungsgrad bei 42,5 Prozent. Ab 50 Prozent wäre für das Karlsfelder Gymnasium eine Silber-Zertifizierung möglich, ab 65 Prozent wären die Kriterien für Gold erfüllt. Silber zu erreichen hält Bögeholz für relativ leicht machbar. Für Gold würden Mehrkosten von 2,4 bis 3,6 Millionen entstehen, weitere Honorar- sowie Zertifizierungskosten sind dabei noch nicht mit eingerechnet.

Stefan Kolbe, CSU-Fraktionssprecher und Bürgermeister der Gemeinde Karlsfeld, erklärte, er sehe den Sinn darin nicht, für "ein Blatt Papier" am Ende knapp vier Millionen Euro auszugeben, wenn doch der Auftrag an die Verwaltung ohnehin laute, nachhaltig zu bauen. "Da hängt mein Herz nicht dran", ergänzte auch Landrat Löwl. Man müsse sich tatsächlich immer fragen, was einem solch eine Auszeichnung am Ende wert sei. Kreisrat Carsten Schleh (Grüne) widersprach: "Es ist nicht nur ein Blatt Papier", auch gehe es um weit mehr als nur um Ökologie. Vielmehr werde der Bau ganzheitlich in den Blick genommen. Stefan Handl (CSU), Kreisrat aus Karlsfeld, stellte die Frage, ob die Zertifizierung am Ende möglicherweise nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Zeit koste. Für ihn sei nämlich nicht ganz nachvollziehbar, warum die Fertigstellung des Karlsfelder Gymnasiums am Ende genauso lange dauere wie die des Röhrmooser Gymnasiums - immerhin habe man dort viel später mit der Planung begonnen, werde aber zur gleichen Zeit fertig. Landrat Löwl sagte, dass dies sicher nicht an der Verwaltung liege. Sechs, sieben Jahre für ein solches Großprojekt, zumal in Kooperation mit der Landeshauptstadt München seien völlig normal. Was die Zertifizierung anbelangt, so einigten sich die Kreisräte darauf, das Bauvorhaben zunächst weiter von Experten begleiten zu lassen und zu einem späteren Zeitpunkt über den Sinn einer DGNB-Zertifizierung zu entscheiden.

Noch ist man bei der Planung für das Röhrmooser Gymnasium nicht so weit, als dass man auch nur über eine DGNB-Vorzertifizierung diskutieren müsste, doch Bögeholz erklärte, dass man auch für das fünfte Gymnasium schon darüber nachdenke; in jedem Fall sei aber auch hier eine "ressourcenschonende Bauweise" wichtig. Sich, wie von der ÖDP beantragt, auf reine Holzbauweise zu konzentrieren sei allerdings nicht ratsam, so Kreisbaumeister Gregor Meier, weil der Markt dafür derzeit sehr ausgelastet sei. Schließe man zu vieles aus, werde die Auswahl am Ende zu sehr beschränkt. Auch Landrat Löwl warnte davor, zu viele Vorgaben zu machen. Vieles, wie auch die Forderung von Kreisrat Jonathan Westermeier (Linke/Partei), Solarenergie vorzuschreiben, sei auch ohne explizite Nennung meist schon Standard.

Losgelöst von dieser Diskussion kam Grünen-Kreisrat Carsten Schleh nach der Vorstellung des Vorentwurfs noch einmal auf das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen. Der Entwurf sieht zum einen eine Tiefgarage vor, die zwei Drittel aller der laut Autostellplatzsatzung nötigen Parkplätze beherbergen soll, sowie 450 Fahrradstellplätze, die zum Teil überdacht sein sollen. Schleh sagte, es sei "Irrsinn" die Stellplätze für Pkw nicht anhand der Lehrkräfte, sondern anhand der Klassen zu bemessen und regte an, im Falle des Gymnasiums von der Stellplatzverordnung abzuweichen, immerhin sei die S-Bahnhaltestelle ja nahegelegen. Kreisbaumeister Meier sagte, grundsätzlich seien solche Überlegungen sicherlich nicht verkehrt, in diesem Fall warne er davor, davon abzuweichen, ansonsten würden die umliegenden Anwohner enorm belastet durch mehr Verkehr. Das sei nicht "fair" und werde nur zu Ärger führen. Schleh verzichtete daraufhin auf seinen Änderungsantrag, beantragte aber, nicht nur einen Teil der Fahrradstellplätze zu überdachen, sondern alle. Eine Mehrheit der Kreisräte im Schul- sowie Kreisausschuss stimmte letztlich dafür, die Kosten dafür zu prüfen.

Am Ende der Debatte merkte Kreisrat Franz Obesser (CSU) noch an, dass es ihm in der "Seele weh" tue, dass bei der ganzen Diskussion kein einziges Wort über die Gesamtsumme von mehr als 88 Millionen Euro, die das Gymnasium nach jetzigem Stand kosten soll, verloren worden sei - immerhin seien gerader erst ein Rekordhaushalt beschlossen worden und mit hoher Wahrscheinlichkeit würden die Kosten am Ende ohnehin die 100 Millionen Euro-Marke überschreiten. Immerhin ergab sich für die Kreisräte die Möglichkeit, Geld für eine neue Schulturnhalle zu sparen und gleichzeitig Ressourcen zu schonen, indem man die Halle der Spielvereinigung (SpVgg) Röhrmoos-Großinzemoos mitbenutzt, statt selbst eine Halle zu errichten. Der Vorschlag von Albert Herbst, Sachgebietsleiter Kreisschulen und ÖNPV, fand ebenfalls einstimmige Zustimmung.

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Quelle:
SZ vom 08.03.2021
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