Süddeutsche Zeitung

Ausblick auf die Bundestagswahl 2021:Wahlkampf im Schatten von Corona

Lesezeit: 4 min

Am 26. September findet die Bundestagswahl statt - die Kandidaten von CSU, SPD und Grüne zerbrechen sich jetzt schon den Kopf, wie sie unter den erschwerten Bedingungen in der Pandemie die Wähler erreichen können

Von Helmut Zeller, Dachau

Bis zur Bundestagswahl sind es noch knapp neun Monate, aber schon jetzt ist für die Abgeordneten von CSU, SPD und Grünen aus dem Wahlkreis Dachau/Fürstenfeldbruck eines klar: Dieser Wahlkampf wird schwieriger und ihnen einiges mehr als vor vier Jahren abverlangen. Denn wie sollen sie in der Corona-Pandemie die Wähler überhaupt erreichen? Um diese Frage kreisen die Überlegungen der Parteien und ihrer Kandidaten und Kandidatinnen Katrin Staffler (CSU), Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) und Michael Schrodi (SPD), die in der Wahl 2017 erstmals gewählt wurden. Großveranstaltungen wie im Bierzelt des Dachauer Volksfestes werden voraussichtlich nicht möglich sein. Beate Walter-Rosenheimer wird, wie sie sagt, den direkten Kontakt zu den Menschen sehr vermissen. Katrin Staffler rechnet damit, dass die Wähler auf Infostände zurückhaltend reagieren, selbst wenn das Infektionsgeschehen sich durch die Impfungen gegen das Sars-CoV-2-Virus abgeschwächt hat.

Nach mehr als einem Jahr wird sich die Angst der Menschen nicht so schnell verflüchtigen. Und dann ist da ja noch eine Besonderheit in diesem besonderen Corona-Jahr 2: Die Unionsparteien sind, wie SPD-Politiker Schrodi in Berlin feststellt, "hochnervös", weil sie bei den Wahlen am 26. September nicht mehr mit dem Amtsbonus von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnen können - und auch noch das Krisenmanagement von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Prüfstand kommen wird. Vielleicht erscheint Michael Schrodi deshalb so zuversichtlich.

Vielleicht hat diesen Gedanken auch der Olchinger Bürgermeister Andreas Magg im Hinterkopf, als er sagt: "Das ist die schönste Parteiveranstaltung, seit ich vor 20 Jahren der SPD beigetreten bin." Es ist Mitte November 2020, und Michael Schrodi ist gerade unter einem tiefblauen Himmel einstimmig als Kandidat für die Bundestagswahl nominiert worden - im Dachauer Sepp-Helfer-Fußballstadion. Die 70 Sozialdemokraten mit Schutzmaske und gebotenem Abstand voneinander sind bester Laune, und das mitten in der Corona-Krise. Deshalb haben die SPD- Unterbezirke Dachau und Fürstenfeldbruck kurzerhand die Aufstellungsversammlung zu einem Open-Air-Event gemacht.

Beate Walter-Rosenheimer, die jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, wurde bereits im Oktober mit 93 Prozent von den beiden Kreisverbänden ihrer Partei als Kandidatin nominiert. Ende Januar bis Mitte April wollen die Grünen ihre Kandidatenliste aufgestellt haben. Beate Walter-Rosenheimer, die bereits 2012 in den Bundestag nachgerückt ist, rechnet wie 2017 mit Platz fünf, vielleicht sogar mit einem noch weiter vorne. Aber, sagt sie, die Parteitagdynamik sei schwer einzuschätzen. Katrin Staffler ist schon mal von den Parteispitzen in Fürstenfeldbruck und Dachau zur Nominierung empfohlen worden - das letzte Wort aber hat die Delegiertenversammlung, vermutlich Ende April. Davor steht noch Corona: Den Regularien zufolge muss die Aufstellungsversammlung als Präsenzveranstaltung stattfinden. "Wir arbeiten daran", sagt die CSU-Politikerin. Und davor müssen die Ortsverbände erst noch ihre Delegierten wählen - alles nicht so einfach in der Pandemie. Aber um ihre Nominierung muss sich Katrin Staffler, die 2017 der langjährigen Bundestagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt nachfolgte, keine Sorgen machen, auch nicht um ihren Wiedereinzug ins Parlament. Michael Schrodi ebenso nicht. Vor vier Jahren machte er noch eine Zitterpartie durch, da er auf der Liste der Bayern-SPD Platz 17 belegt hatte und nur 18 Bewerber den Sprung nach Berlin schafften. Aber dergleichen Prognosen mag die CSU-Abgeordnete für sich selbst nicht - aus Respekt vor der Parteibasis und den Wählern, wie sie sagt. "Ich hoffe, dass ich gewinne." Eine Prognose aber wagt sie schon mal: "So einen Wahlkampf hat noch keiner erlebt." Da ist sich Katrin Staffler einig mit ihren beiden Konkurrenten im Bundestagswahlkreis. Die Parteien arbeiten an einer der Corona-Pandemie angepassten Wahlkampfstrategie.

Dabei haben die Grünen im Vergleich zu SPD und vor allem der CSU einen Vorteil: Ihre Wählerklientel ist dem Internet besonders aufgeschlossen. Aber Videostreaming, Online-Veranstaltungen können eben doch nicht ersetzen, worauf es Beate Walter-Rosenheimer ankommt: "auf den persönlichen Kontakt". Und wie die anderen Abgeordneten will sie ja die Unentschlossenen erreichen, diejenigen von ihrer Politik überzeugen, die eben keine Stammwähler sind. "Ich liebe Straßenwahlkampf", sagt sie, "und das wird schwierig werden mit den Abstandsregeln und einer Mund-Nasen-Maske". Vor dem Herbst, so schätzt sie, wird es keinen normalen Wahlkampf geben.

Das gute alte Wahlplakat, inzwischen schon etwas angestaubt, könnte eine Renaissance erleben. Zuletzt sahen die Wähler in Dachau ja nur noch Köpfe auf den Plakaten - als wäre das schon politische Aussage genug. Jetzt überlegen die Parteien, ob sie die Kandidaten nicht doch wieder mit Botschaften präsentieren sollen und einem Verweis auf ihre Homepages mit vertieften Statements. Aber nicht nur die Stadt Dachau, auch andere Kommunen im Landkreis handhaben das Plakatieren inzwischen restriktiv. Aber wie viele bleiben schon stehen, um die Aussagen auf Wahlplakaten zu lesen? Da hat Katrin Staffler wenig Hoffnung. Die CSU-Politikerin denkt dann doch eher an kleine hybride Veranstaltungen mit wenigen Besuchern, die im Netz live übertragen werden. Überhaupt müsse man innovative Formate der Wählerwerbung entwickeln. Das könne auch eine Chance sein, so Staffler, weniger mobile Menschen mehr als in früheren Wahlkämpfen zu erreichen. Sie hofft ansonsten auf den Impfstoff gegen das Coronavirus und die Impfbereitschaft in der Bevölkerung, der in einem halben Jahr vielleicht dann doch zu einem Abklingen der Pandemie führt.

Doch es sind nicht allein die coronabedingten Probleme bei der Organisation der Wahlwerbung und den Kandidatenauftritten. Der Umgang der Politik mit der Pandemie selbst dürfte im Wahlkampf eine zunehmende Bedeutung gewinnen. Etwa die Rolle des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Markus Söder, der sich als Krisenmanager profiliert hat. Bisher sei Söder, sagt der SPD-Politiker Michael Schrodi, einer von 16 Ministerpräsidenten, "ein bisschen herausgehoben vielleicht". Aber wenn er Ambitionen auf das Kanzleramt zeigte, dann wäre die Schonzeit für ihn vorbei und werde seine Rolle als Krisenmanager unter die Lupe genommen. Allein schon deshalb rechnet Schrodi nicht damit, dass Söder sich raus wagt - und dann hat ja die CDU das entscheidende Wort. Deshalb hat ihm Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) schon mal abgeraten.

Beate Walter-Rosenheimer wird Jens Spahn (CDU) einen Wunsch nicht erfüllen: Der Bundesgesundheitsminister hat davon gesprochen, dass man sich nach der Pandemie gegenseitig einiges verzeihen werden müsse. Aber wirklich nicht. Für unverzeihlich hält die Grünen-Politikerin, dass Monate nach dem Ausbruch der Seuche Menschen in Alten- und Pflegeheimen sich noch immer mit dem Virus infizieren. Wie kann das sein? Darauf will sie eine Antwort. Und auch viele Wähler.

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SZ vom 04.01.2021
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