Süddeutsche Zeitung

Karlsfeld:4000 Metaller demonstrieren vor MAN-Gelände

Lesezeit: 3 min

Die Beschäftigten fordern von den Arbeitgebern ein besseres Angebot - andernfalls werde es 24-stündige Warnstreiks geben.

Von Robert Stocker, Karlsfeld

Der Arbeitskampf in der Metallindustrie geht in die entscheidende Runde: Etwa 4000 Beschäftigte der Unternehmen MAN, MTU, Krauss-Maffei und Siemens sind am Dienstagvormittag in einen zweistündigen Warnstreik getreten. Bei einer Kundgebung der Industriegewerkschaft (IG) Metall auf dem Truck Forum von MAN in Karlsfeld bekräftigten die Mitarbeiter ihre Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt. Das jüngste Angebot der Arbeitgeber liegt bei 2,1 Prozent und soll für zwei Jahre gelten. Gewerkschaft und Betriebsräte sehen dies als "Provokation". Sollten die Arbeitgeber in der nächsten Verhandlungsrunde dieses Angebot nicht deutlich erhöhen, werde es in vielen Unternehmen 24-stündige Warnstreiks geben. Als erstes bayerisches Unternehmen werde MAN betroffen sein.

Wegen der Kundgebung war die Dachauer Straße auf Höhe des MAN-Firmengeländes von 9.30 Uhr bis 11.30 Uhr abgeriegelt. Polizeibeamte überwachten die Sperrung. Mit Plakaten, Trommeln und Trillerpfeifen zogen die Streikenden über die autofreie Dachauer Straße zum Truck Forum. "Wir bekommen nur die Krümel - und ihr seid die Monster" stand auf einem Transparent und auf T-Shirts von Mitgliedern der Gewerkschaftsjugend. Beschäftigte der MTU warnten auf einem Plakat: "Falsche Zeit für Billigflüge." Trommeln und Trillerpfeifen machten einen höllischen Lärm.

Auftakt zur zweiten Warnstreikwelle

Die Kundgebung auf dem MAN-Firmengelände war der Auftakt zur zweiten Warnstreikwelle. "Wer nicht hören will, muss fühlen", schwor Martin Kimmich, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall München, die Teilnehmer auf die Kundgebung ein. Vor dem letzten Einigungsversuch in der fünften Verhandlungsrunde wolle die Gewerkschaft noch einmal einen Warnschuss setzen. MAN-Betriebsratsvorsitzender Saki Stimoniaris zeigte sich emotional aufgeladen. "Das Angebot der Arbeitgeber ist eine Provokation, ein schlechter Witz, eine Lachnummer", rief er den Versammelten zu. Wenn die Arbeitgeber in der nächsten Verhandlungsrunde kein "vernünftiges" Angebot vorlegen würden, werde es 24-stündige Warnstreiks geben. "Wer so den sozialen Frieden stört, trägt auch die Verantwortung." Stimoniaris kündigte an, dass das Münchner MAN-Werk das erste Unternehmen in Bayern sei, in dem der eintägige Warnstreik stattfinden wird.

"Nach mittlerweile vier Verhandlungsrunden haben wir kein brauchbares Angebot der Arbeitgeber", wetterte MTU-Betriebsratsvorsitzender Josef Hillreiner. Er appellierte an die Unternehmen, auf die Verbandsvertreter einzuwirken, um keinen Flächenbrand zu erzeugen. Hillreiner: "Die Manager reden immer von Augenmaß, aber sie messen mit zweierlei Maß. Sie genehmigen sich hohe Boni, doch bei den Mitarbeitern setzen sie den Rotstift an." Der Vorstand der MTU habe das Jahr 2015 als Rekordjahr bezeichnet. "Ohne die Beschäftigten wäre das nicht möglich gewesen", unterstrich Hillreiner. Deshalb wollten sie sich nicht mit Brotkrümeln abspeisen lassen. Die Arbeitgeber sollten keinen Großkonflikt riskieren und einen Abschluss zum Wohl aller Beteiligten anstreben. "Wir können noch ungemütlich werden", drohte der MTU-Betriebsratsvorsitzende. Die Vorstände und Manager hätten sich ihr Geld schon abgeholt, sagte Peter Krahl, Betriebsratsvorsitzender von Krauss-Maffei. Fünf Prozent mehr Lohn seien fair und finanzierbar. "Wir wollen auch ein fettes Stück vom Kuchen", betonte Krahl.

"Zwingt uns nicht, diese Waffe in die Hand zu nehmen"

Bei diesem Streik gehe es um den Wert der Arbeit und die Würde der Beschäftigen, rief Horst Lischka, Erster Bevollmächtigter der IG Metall München. Das erste Angebot der Arbeitgeber seien 0,9 Prozent mehr Lohn und ein Bonus von monatlich neun Euro gewesen. Lischka: "Dieser Bonus ist eine Beleidigung. Die Manager lassen mit ihrem Bonus die Champagnerkorken knallen." Lischka zufolge waren am Dienstag erstmals hunderttausende Beschäftigte in der Metallindustrie im Warnstreik. Es bestehe die Möglichkeit, dass die IG Metall das Verhandlungsergebnis in einem Pilotbezirk übernimmt. Wenn nicht, werde es 24-stündige Warnstreiks geben. Dann komme keiner mehr in die Betriebe rein. In dieser Zeit werde viel Produktion ausfallen. "Zwingt uns nicht, diese Waffe in die Hand zu nehmen", appellierte Lischka an die Arbeitgeber.

Auch junge Gewerkschaftsmitglieder nahmen an der Kundgebung teil. Sie fordern für die Auszubildenden einen höheren Lohn. Ein Auszubildender der MAN, der in Faistenhaar im Landkreis München wohnt, schilderte seine finanzielle Situation so: "Schon mein Auto kostet viel Geld. Ich muss jeden Tag fast 100 Kilometer zur Arbeit und zurück nach Hause fahren. Das Benzin muss ich selber zahlen."

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SZ vom 11.05.2016
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