Süddeutsche Zeitung

Dachau:Rechtsextremer "Volkslehrer" vor Gericht

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Der rechtsextreme Videoblogger Nikolai Nerling wurde Ende 2019 schuldig gesprochen, bei einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau den Holocaust geleugnet zu haben. Am Donnerstag beginnt die Berufungsverhandlung.

Von Thomas Radlmaier, Dachau/München

Der rechtsextreme Videoblogger Nikolai Nerling muss sich am Donnerstag, 26. November, vor dem Landgericht München wegen Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs verantworten. Der 40-Jährige, der sich selbst "der Volkslehrer" nennt, ist eine der bekanntesten Figuren der rechtsradikalen Szene in Deutschland. Er nutzt derzeit vor allem die Corona-Demos als Bühne. Dort gibt er sich fälschlicherweise als Journalist aus, um seine Hetzvideos zu drehen. Er und sein Kameramann hatten im Februar 2019 die KZ-Gedenkstätte Dachau besucht, um gegen den "Schuldkult" zu filmen. Eine Referentin der Gedenkstätte, die gerade einen Rundgang mit einer Schulklasse leitete, erkannte den rechtsextremen Aktivisten, woraufhin ihn Mitarbeiter der Gedenkstätte des Geländes verwiesen.

Das Amtsgericht Dachau sprach Nerling im Dezember 2019 schuldig, bei seinem Besuch in Dachau den Holocaust geleugnet zu haben. Richter Lukas Neubeck verurteilte ihn wegen Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 10 800 Euro. Auch sein Kameramann bekam eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro. Nerling und sein Gehilfe sind mit rechtlichen Mitteln gegen dieses Urteil vorgegangen. Nun kommt es am Donnerstag am Landgericht München II zum Berufungsverfahren. Als Fortsetzungstermin ist der Freitag, 27. November, angesetzt.

Vor diesem Hintergrund hat der Bayerische Jugendring (BJR) am Montag rechtsextreme Übergriffe auf Einrichtungen der historischen Erinnerungsarbeit und der außerschulischen politischen Bildung geächtet. Gedenk- und Bildungsstätten, an denen junge Menschen über Antisemitismus und die Geschichte des Nationalsozialismus aufgeklärt werden, sind immer wieder Ziel diffamierender Hetzkampagnen aus der rechtsradikalen Szene. "Davon lassen wir uns nicht einschüchtern. Der Vorfall mit dem sogenannten Volkslehrer bestärkt uns sogar noch", sagte BJR-Präsident Matthias Fack. Die Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur gehöre seit jeher zum Selbstverständnis der Jugendverbände und Jugendringe in Bayern. Der Vorfall zeige, wie wichtig das sei. Fack dankte allen Mitarbeitern, "die sich tagtäglich und mitunter unter Angriffen der extremen Rechten dieser wichtigen Arbeit mit vollem Einsatz widmen." Das Max Mannheimer Studienzentrum in Dachau gehört zur Stiftung Jugendgästehaus Dachau, bei welcher der BJR die Geschäftsführung inne hat.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2020
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