Süddeutsche Zeitung

Bayerische Staatsoper:So geht es nach den Theaterferien weiter

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Nach einer aufreibenden Spielzeit unter dem neuen Intendanten Serge Dorny ist Pause in der Staatsoper. Doch schon bald ist Neustart - mit dem Septemberfest.

Von Jutta Czeguhn, München

Schlussapplaus bei den Opernfestspielen. Der 400 Kilogramm schwere Schmuckvorhang mit den 120 Goldquasten schließt sich nun endgültig, und alle wünschen sich "schöne Theaterferien!". Wer jemals dabei war, hinter diesem Prachtvorhang, wenn ein Opernabend zu Ende geht, der hat gewiss auch die Erfahrung einer Entzauberung gemacht. Da liegen sich Sängerinnen und Sänger in den Armen, erschöpft, die Schminke ist verlaufen, Schweißflecken deutlich sichtbar unter den Kostümachseln, denn das hier ist Hochleistungssport. Und wo eben noch geheimnisvolles Dunkel war, ist nun alles in grelles, illusionsloses Arbeitslicht getaucht. Einer unsichtbaren Orchestrierung folgend, beginnen die Bühnentechniker unmittelbar nach der Vorstellung damit, lautstark die Kulissen zu demontieren und in Gitterboxen zu verstauen, alles geht dann per Lkw ins riesige Magazin der Staatsoper nach Poing. Am letzten Opernabend der Saison ist hier Radikal-Kehraus.

Nach einer aufreibenden Saison gibt es wohl auch seelenhygienisch viel hinauszufeudeln für Neu-Intendant Serge Dorny: die coronabedingten Ausfälle, das fremdelnde Publikum, den Skandal um Ballett-Chef Igor Zelensky und andere kriegsbedingte Verwerfungen um Anna Netrebko oder Teodor Currentzis, zudem der Tod von Dirigent Stefan Soltész, der während einer Vorstellung zusammenbrach. Für einige Wochen soll nun Ruhe einkehren im großen Haus. Nur noch Handwerker und der Pförtner halten im Nationaltheater die Stellung. Und wenn's turnusmäßig ansteht, wird auch mal der große Kronleuchter poliert.

Doch schon Mitte September erwacht das Leben wieder in der Staatsoper. War in der Ära von Nikolaus Bachler das mondäne Bühnendinner, jenes Charity-Event für Münchens Geld- und Promi-Adel, traditionell der - exklusive - Saisonauftakt, ist es unter Staatsintendant Serge Dorny seit 2021 nun sehr inklusiv das "Septemberfest", bei dem der Name des Sponsors, UniCredit, stets mitgenannt werden soll. Dieses Kurzfestival im Frühherbst ist eines der Mitbringsel des zuvor langjährigen Intendanten der Oper im französischen Lyon, das er den Münchnern nun neben den Opernfestspielen und dem neuen "Ja, Mai!-Festival" im Frühjahr beschert.

Der Spielzeitbeginn, der Gong dazu schlägt fast synchron mit dem Oktoberfest-O'zapf-Ritus, führt wieder hinaus aus der Landeshauptstadt in die Regierungsbezirke des Freistaats. Die Staatsoper wird schließlich vom gesamten bayerischen Steuervolk apanagiert. Hieß es 2021 "Oper für alle" auf dem Ansbacher Karlsplatz, macht der Tross aus München in diesem Jahr, am 16. September, im Mangfallpark in Rosenheim Station. Im vergangenen Jahr lockte Jonas Kaufmann, der dann wegen einer Luftröhrenentzündung absagen musste und in hurtiger Hast durch den Kollegen Piotr Beczała ersetzt wurde. In Rosenheim singt beim kostenlosen Open-Air-Konzert die Weltklasse-Sopranistin Sonya Yoncheva. Das Staatsorchester spielt unter Leitung von Daniele Rustioni, den das Münchner Publikum in den vergangenen Monaten als seinen neuen Liebling am Pult entdeckt hat. Als Sponsor wird neben UniCredit auch BMW genannt.

Ganz nahbar wird die Staatsoper auch wieder für die Münchnerinnen und Münchner: Im schmucken Kaiserhof der Münchner Residenz erfährt man am 17. September nachmittags alles, was man schon immer etwa über Requisite und Maske wissen wollte, Künstlerinnen und Künstler der Staatsoper, des Staatsballetts und des Staatsorchesters, aber auch Kreative aus der ganzen Stadt stehen gemeinsam auf der Bühne und mischen sich zwischen das Publikum. Geboten sind zudem Kinderprogramm, Opernratespiele und ein Kostümflohmarkt. Und nebenan im Nationaltheater kann man sich bei einem Mitsingkonzert wie ein Teil des Staatsopernchores fühlen.

Ein Novum für die Staatsoper: Beim Septemberfest wird das Nationaltheater zum Kinosaal, wenn Axel Ranisch dort die Premiere seines neuen Films "Orpheus in Love" (17. September, 20.30 Uhr) feiert. Das Multitalent aus Berlin, Schauspieler, Filmemacher und bekennender Klassik-Nerd (sein Podcast "Klassik drastisch" ist Kult), wurde von Nikolaus Bachler höchst selbst an die Staatsoper geholt, nachdem dieser Ranischs Kino-Erstling "Dicke Mädchen" gesehen hatte. 2013 inszenierte er für das Haus "The bear/La voix humaine", 2015 die Kinderoper "Pinocchio", 2017 dann Haydns "Orlando paladino" und 2021 Wolf-Ferraris Einakter "Il segreto di Susanna". In seinem eigens für die Staatsoper produzierten Film nun erzählt er den ältesten Stoff der Operngeschichte neu, mit Musik von Monteverdi über Wagner, Puccini bis zu John Adams. Die Story: Die junge Callcenter-Agentin Orpheus verliebt sich in den kleinkriminellen Eurydike. Es agieren Schauspieler sowie Sängerinnen und Sängern des Hauses und das Bayerische Staatsorchester.

Musiktheater kann überall seinen Zauber entfalten, auch in der Parkettgarderobe des Nationaltheater. Dort ist beim Septemberfest das Kinderstück "Wie der Fisch zum Meer fand" zu sehen (Premiere 24. September). Drinnen im Auditorium ein Wiedersehen mit aktuellen Ballett-Produktionen wie Sharon Eyals "Bedroom Folk" und einer Kreation aus der Reihe "Heute ist morgen". Dann fehlt eigentlich nur noch die Oper selbst, die gefeiert werden soll: Hier gibt es Haydns "L' Infedeltà delusa", Verdis "Don Carlo" und die Britten-Oper "Peter Grimes"; in der Titelrolle soll Jonas Kaufmann singen, den man demnächst wieder öfter am Haus hören wird. In der zweiten Spielzeit unter Serge Dorny, die allen wieder einiges abverlangen wird mit, so das Motto, "Gesängen von Krieg und Liebe".

Infos zum UniCredit Septemberfest und zu den kostenlosen Einlasskarten für "Oper für alle" in Rosenheim unter www.staatsoper.de

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