Süddeutsche Zeitung

Fischsterben in der Oder:Das Gift der Lüge

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Die Oder ist vergiftet - und egal, was irgendwer jetzt noch über die Ursachen herausfindet: Für die Fische ist es zu spät. Das liegt vor allem an der rechtspopulistischen Regierungspartei Polens, die wie stets reagiert: mit Vertuschen.

Kommentar von Viktoria Großmann

Aus dem Umweltskandal an der vergifteten Oder ist innerhalb weniger Tage ein Streit der politischen Lager Polens geworden. Noch ist nicht klar, woran die Fische im deutsch-polnischen Grenzfluss massenhaft gestorben sind, es gibt nur Mutmaßungen, wann und wo die tödlichen Stoffe ins Wasser gelangt sind. Diesen Fragen sollte eigentlich die oberste Aufmerksamkeit gelten. Doch die Suche nach Ursprung und Verursachern wird übertönt von politischem Kampfgeschrei.

Die Stimmung zwischen den politischen Lagern in Polen ist längst genauso vergiftet wie das Wasser der Oder. Premierminister Mateusz Morawiecki hat seit Freitag eine hektische Aktivität entfaltet, offenbar hat er erkannt, dass der Umweltskandal seiner Partei PiS schwer schaden kann. Erst in mehr als einem Jahr wird ein neues Parlament gewählt, doch seit Wochen sind Jarosław Kaczyński, Vorsitzender der regierenden PiS, sowie Donald Tusk von der oppositionellen PO auf Wahlkampftour. Das offensichtliche Versagen mehrerer Behörden, die der PiS unterstehen, spielt der PO in die Karten.

Morawiecki und seine PiS reagieren, wie sie immer reagieren: mit Vorwürfen und Anschuldigungen. Dabei konnte man zunächst noch annehmen, Morawiecki, der immerhin aus Breslau an der Oder stammt, ginge es vielleicht wirklich um die Sache. Auf seinem Facebook-Konto hatte er geschrieben, er könne "schreien vor Wut" über diese Umweltkatastrophe, deren Ausmaße noch gar nicht abzusehen sind und deren Folgen die Natur über Jahre belasten dürften. Er versprach Aufklärung und Strafverfolgung, entließ zwei Behördenleiter.

Vorwürfe gegen Deutschland

Doch Selbstkritik gehört nicht zum Programm der Regierungspartei. Keinen Schritt ging Morawiecki bisher auf die deutsche Seite zu, die keinerlei Mitteilung aus Polen über eine Vergiftung des Gewässer erhalten hatte. Stattdessen warf Morawiecki den Deutschen vor, zu langsam und zu schlecht organisiert die toten Fische aus dem Wasser zu ziehen.

Nach einer Verbesserung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit sieht das nicht aus. Auch die Opposition beißt sich in Vorwürfen fest. Mehrere Kommunalpolitiker, die Oppositionsparteien angehören, darunter der Bürgermeister Breslaus, hatten sich gemeinsam mit einer Beschwerde an die Regierung gewendet. Örtliche Behörden seien zu spät informiert worden, dass von der Oder eine Gefahr für Anwohner ausgehe. Zudem habe ihnen die PiS-Regierung immer mehr Kompetenzen entzogen. Nun ist der Schlagabtausch im Gange, und so dreist die Unterstellungen der PiS oft sind - auch die Aussagen der Opposition lassen bisweilen Zweifel aufkommen, ob das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt oder das an der Beschädigung des Gegners.

Was sich feststellen lässt, ist: Es ist viel zu viel Wasser die Oder hinuntergeflossen, bis Maßnahmen getroffen wurden, um das Fischsterben aufzuhalten. Das liegt auch an den Strukturen, welche die PiS geschaffen hat, und an ihrer Art des Regierens. Die PiS strebt nach absoluter Macht und reagiert auf Fehler nicht mit Transparenz, sondern nach Art autoritärer Regimes: vertuschen und verschlimmern.

Der Kampf zwischen den Lagern spiegelt sich auch in den Medien. Während sich die staatlichen auf Morawieckis Vorwürfe an die Deutschen und die Opposition konzentrieren, betreiben die unabhängigen auch Ursachenforschung. Das sollte Aufgabe des Staates sein - solange die PiS regiert, ist jedoch auf Aufklärung kaum zu hoffen.

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