Süddeutsche Zeitung

Verteidigung:Die Nato muss mehr tun - und sie muss es schneller tun

Lesezeit: 2 min

Vor der Nato liegen wichtige Wochen. Das Ministertreffen in Brüssel offenbart, vor welchen Herausforderungen das Bündnis steht. Putin ist nur eine davon.

Kommentar von Matthias Kolb

Die kommenden zwei Wochen sind von zentraler Bedeutung für die Nato. Beim Gipfel in Madrid Ende Juni wollen die Staats- und Regierungschefs das Verteidigungsbündnis fit für die Zukunft machen; Generalsekretär Jens Stoltenberg wünscht sich ein Signal der "Geschlossenheit und Entschlossenheit". Anders als bei der EU wird bei der Nato auf Gipfeltreffen kaum verhandelt. Das Ringen um Formulierungen findet vorher statt - die Sitzung der Verteidigungsminister am Mittwoch und Donnerstag war daher die letzte Gelegenheit, Prioritäten deutlich zu machen.

Zu Recht bezeichnen viele in der Nato das Treffen in Madrid als wichtigsten Gipfel seit 21 Jahren. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Sicherheitslage noch radikaler verändert als die Terroranschläge vom 11. September 2001. Schon vor dem 24. Februar hatte die Nato geplant, in Spanien ihr "strategisches Konzept" zu aktualisieren. Im alten Dokument von 2010 wurde Russland noch eine "strategische Partnerschaft" angeboten, nun muss die Lage ungeschönt beschrieben werden, um die Prioritäten für die Zeit bis 2030 abzuleiten.

Die Allianz muss viel mehr als bisher tun, um Ost- und Südosteuropa gegen russische Angriffe zu schützen. Von Estland bis nach Bulgarien müssen also zusätzliche Nato-Soldaten samt schwerem Gerät stationiert werden. Die Reaktion auf die russische Invasion - die Verlegung von Zehntausenden Soldaten nach Osten und ihre Unterstellung unter den Nato-Oberbefehlshaber - erfolgte erstaunlich schnell. Nun liegt es an Staaten wie Deutschland, Kanada oder Großbritannien, langfristige Zusagen zu machen, damit Polen und Balten sich sicher fühlen. Klugerweise entwickelt die Nato Modelle, zusätzliche Streitkräfte im Ernstfall schnell nach Osteuropa zu schicken - wo künftig viel mehr Munition und Material lagern soll.

Es gibt zum Beispiel noch das Thema Terrorismus

Überfällig ist es auch, sich mehr mit China zu beschäftigen. Die Volksrepublik hat nicht nur erklärt, eine der führenden Militärmächte der Welt werden zu wollen. Sie ist bereits in Europa aktiv, investiert in Infrastruktur und lässt ihre Marine, schon jetzt die größte der Welt, Manöver mit Russland in der Ostsee abhalten. Die Europäer sollten keine Scheu haben, in der Nato über die Herausforderung China zu sprechen. Denn mittelfristig werden sich die USA darauf konzentrieren und fordern, dass Europa sich besser schützt. Es eilt. Nach Joe Biden dürfte jeder US-Präsident Resultate statt Zusagen sehen wollen, in Form von militärischen Fähigkeiten.

Seit 2001 gehört auch der Kampf gegen Terrorismus zu den Aufgaben der Nato. Natürlich ist es unsäglich, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Beitritte von Finnland und Schweden blockiert, um das Thema nach vorne zu schieben ( und innenpolitisch zu punkten). Aber auch Spanier, Portugiesen und Griechen sorgen sich, dass ihre Terrorismus-Sorgen nicht ernst genommen würden, weil alle auf Putin starren. Dass diese Furcht unbegründet ist, wird indes im neuen Strategiekonzept nachzulesen sein.

Auch wenn der Gipfel für den Prozess der Norderweiterung keine Rolle spielt, wäre es enorm wichtig, dass das türkische Veto gegen die Beitritte Finnlands und Schwedens dort aus der Welt geschafft wird. Denn beide Länder können viel beitragen, das Baltikum besser zu verteidigen. Und von Schlagzeilen über eine zerstrittene Nato würde sowieso nur Wladimir Putin profitieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5603653
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.