Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Größenwahn

Was Friedrich Merz (CDU) von Wolfgang Kubicki (FDP) vorgeworfen wird - und was das ist

Von Christina Berndt

Wenn sich zwei große Egos streiten, wirft eines dem anderen schnell mal Größenwahn vor. Selbigen hat soeben der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ob dessen Ansinnens attestiert, im September den Bundestag vorzeitig neu zu wählen. Größenwahn bezeichnet landläufig eine Selbstüberschätzung, und wenn ein Oppositionsführer zu Neuwahlen aufruft, könnten zumindest medizinische Laien selbige konstatieren. Gleichwohl stammt der Begriff Wahn eigentlich aus der Psychiatrie. Dort versteht man darunter ein krankhaftes Hineinsteigern in etwas völlig Irreales, es kommt bei Psychosen oder bipolarer Störung vor. Betroffene glauben etwa, dass der Geheimdienst hinter ihnen her ist (Verfolgungswahn), jemand sie umbringen will (Vergiftungswahn) oder sie zu Höherem berufen sind - Größenwahn eben. Politischer Größenwahn ist eine beliebte Spielart, so wie beim bipolaren Musiker Ye (früher Kanye West), der sich mitunter zum US-Präsidenten berufen fühlt. Die Patienten halten unbeirrbar an ihrer Idee fest, sie gleichen sie nicht mit der Realität ab und lassen sich nicht korrigieren. Friedrich Merz bei solchen Zeitgenossen einzuordnen, ist vielleicht doch etwas leichtfertig.

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