Süddeutsche Zeitung

Bundespräsident:Würdevoll taktieren

Die FDP will eine zweite Amtszeit Frank-Walter Steinmeiers unterstützen. Jetzt muss der Kandidat die Grünen überzeugen.

Von Nico Fried

Über die Wahl des Bundespräsidenten heißt es gelegentlich, die Würde des Amtes vertrage sich nicht mit parteipolitischem Gezerre. Dieser Lehrsatz zeigt erstaunliche Widerstandsfähigkeit, obwohl er sich meist als Leersatz erweist. Es muss zwar nicht immer so heftig zugehen wie vor der Wahl von Joachim Gauck 2012 oder der von Frank-Walter Steinmeier 2017. Aber dass Kooperationen in der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt bestimmt, auch taktischen Überlegungen folgen -das ist hinlänglich bewiesen.

Der Bundespräsident misst dem Klimaschutz seit einiger Zeit besondere Bedeutung bei

Die FDP hat nun entschieden, eine zweite Amtszeit Steinmeiers zu unterstützen. Das wird ihr erleichtert durch die Koalition mit der SPD im Bund. Für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst ist das Votum aller liberalen Fraktionschefs in Bund und Ländern eher unerfreulich. Der CDU-Mann hat sich gerade aufgemacht, eine Gegenkandidatin für Steinmeier zu suchen, da teilt ihm der sonst so zutrauliche Koalitionspartner in Düsseldorf mit: ohne uns. Christian Lindner hat jetzt neue Freunde.

Nun muss Steinmeier nur noch die Grünen überzeugen. Ob es nur tiefster Überzeugung entspricht, dass der Bundespräsident dem Klimaschutz seit einiger Zeit besonders viel Bedeutung beimisst? Umgekehrt weiß Steinmeier auch, wie riskant es für die Grünen im sensiblen Gefüge der Ampel-Koalition wäre, eigenen Ambitionen zu folgen und dafür womöglich mit der Union zu paktieren. Und so passt ein eigentlich auf Corona gemünzter Satz aus Steinmeiers Weihnachtsansprache auch auf ihn und die Ampel: "Mehr denn je sind wir aufeinander angewiesen - ich auf andere und andere auf mich."

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