Süddeutsche Zeitung

Serien des Monats Oktober:Was sind schon echte Römer?

Lesezeit: 3 min

L'amour in "Babylon Berlin", die großen Fragen der Migrationsgesellschaft und ein gespenstisch guter Boris Johnson: Empfehlungen der Redaktion.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Die Kaiserin

Was passiert: Kaiser Franz Joseph heiratet die viel zu rebellische Sisi und es kommt, was kommen muss: Sie leidet am Wiener Hof. Interessanter ist eigentlich, was man drum herum gezeigt bekommt - die Sehnsucht der strengen Kaisermutter nach Zärtlichkeit, die Eifersucht des Kaiserbruders Maximilian und revolutionäre Umtriebe im Volk, die bis in Sisis Gemächer reichen.

Heimlicher Star: Wiebke Puls von den Münchner Kammerspielen bringt als Gräfin Esterházy und Vorsteherin des Hofstaats eine tolle herbe Künstlichkeit in ihre Szenen. Mit ihrer auch für damalige Verhältnisse altmodischen Turmfrisur ist sie mehr als zwei Meter groß.

Nicht geeignet für: Verfechter strengster historischer Korrektheit - die Kostüme sind wunderschön, aber bewusst auf heutige Geschmäcker hin designt. Es kommt auch vor, dass die Höflinge tanzen wie in einem Musikvideo von Rihanna, damit muss man klarkommen. Kathleen Hildebrand

Sechs Folgen, auf Netflix.

This England

Was passiert: Kenneth Branagh spielt Boris Johnson als Premier: Er torkelt ins Amt, findet es unmäßig anstrengend und soll dann auch noch eine Pandemie im Sinne seiner Bürger in den Griff kriegen. Michael Winterbottoms Chronik des britischen Corona-Mismanagements zeigt noch einmal, das halbgare Maßnahmen zu Beginn der Pandemie besser waren als gar keine.

Heimlicher Star: Kenneth Branaghs Stimme im Original, er ahmt Johnson gespenstisch gut nach.

Nicht geeignet für: Corona-Leugner. Susan Vahabzadeh

Sechs Folgen,auf Sky.

Babylon Berlin, vierte Staffel

Was passiert: Die Zeiten werden härter, es ist 1931, alle sind pleite, moralisch oder buchstäblich, das gilt auch für die Ermittler Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) und Gereon Rath (Volker Bruch). Ein eleganter amerikanischer Gangster kommt nach Berlin, um Rache an der Industriellenfamilie Nyssen zu nehmen, der Berliner SA-Chef Stennes putscht parteiintern gegen Hitler, in der Unterwelt tobt ein Bandenkrieg - und dennoch: L'amour! Ist es nicht trotz allem - so wie in dem Ohrwurm dieser neuen Staffel - "Ein Tag wie Gold"?

Heimlicher Star: Toni, Charlottes Schwester (Irene Böhm). Als man Toni das letzte Mal sah, war sie noch die Kleine. Jetzt lebt sie grimmig auf der Straße und nach deren Gesetz.

Nicht geeignet für: Leute, die deutsches Fernsehen unbedingt für unsensationell halten wollen. Claudia Tieschky

Zwölf Folgen, auf Sky.

The Mole

Was passiert: Eine Gruppe erspielt in verschiedenen Prüfungen möglichst viel Geld, das am Ende aber nur eine Person kriegt. Es gibt unter ihnen einen Verräter, der Prüfungen sabotiert; in jeder Folge müssen die Teilnehmer 20 Multiple-Choice-Fragen beantworten, die mit dem Störenfried zu tun haben. Wer am wenigsten richtig beantwortet, fliegt raus - es gibt deshalb auch den Ansporn, den Verdacht auf sich zu lenken. Die Zuschauer grübeln also nicht nur, wer der Maulwurf sein könnte, sie grübeln auch: Was würde ich tun?

Heimlicher Star: Moderatorin Alex Wagner, weil sie nicht gewollt witzig daherkommen will wie die meisten Reality-Show-Gastgeber. Sie stellt sich nicht in der Vordergrund und ist dennoch das Zentrum des Wettkampfs.

Nicht geeignet für: Fans von Topmodel-Gesang-Talente-Formaten. Es geht nicht ums Selbstdarstellen, sondern ums Gewinnen. Jürgen Schmieder

Zehn Folgen, auf Netflix.

The Playlist

Was passiert: Bald nach der Jahrtausendwende bedroht die von Schweden aus operierende Download-Plattform The Pirate Bay die globale Musikindustrie. Songs übers Internet zu hören, das muss doch technisch besser - und vor allem legal - gehen, denkt sich Daniel Ek. Und gründet gemeinsam mit Martin Lorentzen den Streaming-Dienst Spotify. Aus sechs recht unterschiedlichen, einander teilweise widersprechenden Perspektiven erzählt die Serie vom Fieber dieses Aufbruchs.

Heimlicher Star: Der immergleiche lange Korridor, der sich verwandeln kann in den Flur einer Behörde, einer Anwaltskanzlei, einer Plattenfirma. Und von dem sich Türen öffnen in bizarre Welten.

Nicht geeignet für: Freunde von Blasmusik und Operngänger. Stefan Fischer

Sechs Folgen, auf Netflix.

Barbaren, Staffel zwei

Was passiert: Nach ihrem Sieg in der Varusschlacht müssen die Germanen sich erneut zusammenraufen, um gegen neue römischen Legionen zu bestehen. Cherusker-Anführer Ari bekommt unerwarteten Besuch aus seiner Vergangenheit in Rom und es kommt zu einigen Identitätskrisen: Kann man ein echter Römer sein, wenn man in einem schlammigen Germanendorf geboren wurde? Wie lange muss man sich Rom beweisen, bis man akzeptiert wird? Barbaren stellt klug die großen Fragen der Migrationsgesellschaft.

Heimlicher Star: Die dunkelhäutige Dido (Cynthia Micas) flüchtet aus dem von Römern beherrschten Karthago nach Germanien und zeigt, dass eine Schicksalsgemeinschaft nicht nur von gemeinsamen Genen zusammengehalten wird.

Nicht geeignet für: Zartbesaitete. Bei Schlachten und Hinrichtungen wird nicht an Kunstblut gespart. Kathleen Hildebrand

Sechs Folgen, auf Netflix.

Parlament, zweite Staffel

Was passiert: Das europäische Parlament kommt zu einer neuen Legislaturperiode zusammen, aber es fehlt ein geeigneter Präsident. Der deutsche Strippenzieher europäischer Politik sorgt dann dafür, dass es die allerlächerlichste Gestalt wird. Samy (Xavier Lacaille) müht sich mit einer neuen Chefin, die zwar immense Ambitionen hegt - nur noch nicht weiß, worauf genau. Die Politsatire macht, obwohl sie ein eher düsteres Bild parlamentarischer Realitäten zeigt, einfach gute Laune.

Heimlicher Star: Philippe Duquesne spielt MdEP Michel Specklin, der in seinem Büro gerne mit Stofftieren spielt und sich an historischen Kostümen erfreut, wenn er nicht leise in seine Pfefferminzlimonade weint.

Nicht geeignet für: Menschen, die in Serien gern Kriminalfälle lösen, die Action und Verfolgungsjagden erwarten. Nils Minkmar

Zehn Folgen, ARD-Mediathek.

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