Als vor zwei Jahren die erste Staffel von Barbaren bei Netflix anlief, der ersten großen deutschen Historienproduktion für den Streamingdienst, schrieben viele Kritiker ihre Verwunderung darüber auf, dass die Geschichte der Varusschlacht noch nicht längst verfilmt worden war. Dabei war eigentlich sehr leicht nachvollziehbar, warum nicht, und auch jetzt, da es geschehen ist, hat man als Zuschauer immer mal wieder ein mulmiges Blut-und-Boden-Gefühl bei Bildern wie diesen: Zwei Muskelmänner stehen in einem Feuerkreis beim Stammestreffen, dem Thing, und erklären, wie sie ihr Volk retten wollen. Noch mehr Muskelmänner ziehen mit Kriegsbemalung in die Schlacht. Und eine schöne blonde Frau nährt den Sohn, den sie dem Anführer geboren hat, im Feuerschein an ihrer Brust. Germanenromantik ist Barbaren nicht fremd. Man könnte die Serie leicht als Futter für völkische Sentimentalität abtun. Aber so einfach ist es nicht. Barbaren ist zu klug - und zu kompliziert dafür.
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Die zweite Staffel setzt eine Weile nach der Schlacht im Teutoburger Wald ein. Die Germanen haben sie gewonnen, aber Rom steht schon wieder auf der schlammigen Matte. Ganz in der Nähe des Cheruskerdorfs, in dem Reik Ari sich mit seiner Frau Thusnelda und ihrem Neugeborenen versteckt, wartet der Heerführer Tiberius in einem großen Lager auf die nächste Chance, die Barbaren zu unterwerfen. Ari (Laurence Rupp) hieß früher Arminius, er ist Germane, aber als Beutekind privilegiert in Rom aufgewachsen. In der ersten Staffel ist er als römischer Offizier in seine Heimat zurückgekehrt, übergelaufen und hat schließlich als Anführer der Cherusker seinen Ziehvater Varus und Tausende Römer in einer der schmachvollsten Schlachten besiegt, die Roms Geschichte kennt. Die These von Barbaren ist durchaus, dass Blut dicker ist als Wasser - auch, wenn es zivilisiert und sauber durch schicke römische Aquädukte kommt.
Auf der Seite der Barbaren kämpft nun auch eine dunkelhäutige Frau
Der Grundkonflikt in Staffel zwei ist kein neuer: Wieder müssen sich die Germanenstämme zusammenraufen, um die Kolonisatoren abzuwehren. Diesmal sollen die 70 000 Soldaten des Markomannen-Anführers Marbod dabei helfen, aber der ziert sich ein bisschen, weil er eigentlich lieber mit den Römern Handel treiben möchte, als sie zu bekämpfen. Den imposanten Marbod spielt der österreichische Schauspieler Murathan Muslu ("8 Tage", "Wilde Maus"). Auch Marbod hat eine schöne, blonde Ehefrau. Er liebt aber noch jemanden, der nicht ins heteronormative Erwartungsschema klassischer Germanenfantasien passt. Zuschauer, die hier nur nach urwüchsig simplem Germanentum suchen, werden nicht nur davon enttäuscht sein. Es gibt auch wieder Römer germanischer Abstammung, die sich erst mit großer Verve zu ihrer Adoptivmutter Rom bekennen - und die erst von der Ablehnung der Römer ("Barbare!"), also durch Nicht-Akzeptanz in der Ankunftsgesellschaft, zurück in die Zusammenhänge ihrer Herkunft getrieben werden. Viel aktueller kann eine Historienserie in Zeiten andauernder Migrations- und Integrationsdebatten kaum sein.
Die Autoren Andreas Heckmann, Arne Nolting und Jan-Martin Scharf haben sich an allen Ecken ihrer Geschichte Brüche überlegt, die ihre Figuren in interessante Identitätszwiespalte bringen: Thusnelda ist weiter als frühe "Working Mom" bei allen Schlachten dabei. Aris Sohn hat einen anderen biologischen Vater und auf der Seite der Barbaren kämpft mit der Karthagerin Dido (Cynthia Micas) nun auch eine dunkelhäutige Frau. Die Schicksalsgemeinschaft der Unterdrückten erwächst eben nicht nur aus geteilten Genen.
Barbaren, auf Netflix.
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