Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:Österreichs Innenminister: "Formulierungen finden nicht meine Zustimmung"

Lesezeit: 3 min

Von Oliver Das Gupta

In Demokratien gehört es zu den journalistischen Qualitätsmerkmalen, dass sich Medien kritisch mit Politikern im Allgemeinen befassen - und mit den Regierenden im Besonderen. In Österreich gibt es seit einiger Zeit wachsende Zweifel, inwieweit dieser Wesenszug einer freien Presse im Wiener Regierungslager akzeptiert wird.

Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks werden eingeschüchtert, angefeindet und verleumdet von Vertretern der FPÖ. Die radikal rechte Partei hat ihren Chefstrategen Herbert Kickl als Innenminister durchgesetzt, wo seine Leute eine dubiose Razzia beim Verfassungsschutz (BVT) initiierten. Die kritische und teilweise investigative Berichterstattung darüber haben Kickl erst vor wenigen Wochen ziemlich unverblümte Drohungen aussprechen lassen.

Die Kanzlerpartei ÖVP beschränkt sich bislang weitgehend darauf, verbal Kritik zu üben, aber keine weiteren Konsequenzen zu ziehen. Denn Streit der Regierenden, das ist etwas, was die österreichischen Wähler ganz und gar nicht wollen. Auch die jüngste Episode, die das Verhältnis der Regierung zur freien Presse beleuchtet, kommt aus dem Hause Kickl.

Auslöser ist diesmal eine E-Mail von Christoph Pölzl, der vor einigen Monaten von Kickl als "Ressortsprecher" vorgestellt wurde. Pölzls Ausführungen an die "Kommunikationsverantwortlichen" der neun Landespolizeidirektionen sind erst wenige Tage alt und sie haben es in sich: Unter dem Punkt "kritische Medien" legt der Ministeriumssprecher der Polizei nahe, bestimmte Medien künftig zu benachteiligen. Namentlich nennt Pölzl die Wiener Zeitungen Standard, Kurier und Falter. Es sind Blätter, die die seit Dezember regierende Koalition aus konservativer ÖVP und radikal rechter FPÖ kritisch kommentieren und denen teilweise spektakuläre Enthüllungen gelangen, wie etwa die Liedbuch-Affäre.

Von diesen Zeitungen käme eine "einseitige und negative Berichterstattung" über das Ministerium und die Polizei, schreibt Pölzl in der vertraulichen E-Mail, die der SZ vorliegt, und die der Verfasser freundlich mit "Lg Christoph" unterschrieben hat.

Manche im Regierungslager versuchen den Schaden zu begrenzen

Nach seiner Klage über den kritischen Journalismus kommt der Ministeriumssprecher zur Sache: Er "erlaube sich", der Polizei "vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken". Man solle den Journalisten dieser Zeitungen "nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen", schreibt Pölzl in der Mail, die manche seiner Empfänger als ungeheuerlich empfanden. Wenige Tage, nachdem Pölzl sie versandt hatte, wurde sie dem Standard und dem Kurier zugespielt.

Seit der Veröffentlichung ist die Empörung groß. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte am Rande der UN-Vollversammlung in New York: "Jedes Medium sollte den gleichen, freien Zugang zu Informationen haben, eine Diskriminierung einzelner Medien darf nicht vorkommen." Öffentliche Stellen hätten die Pflicht, die Medien umfassend zu informieren und so den Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe an der demokratischen Diskussion zu ermöglichen.

Pölzls E-Mail dokumentiere den "sehr problematischen Umgang" von Kickls Ressort mit der Medienfreiheit, sagte Rainer Schüller, stellvertretender Chefredakteur des Standard.

Auch das Innenministerium hat inzwischen reagiert. In einer schriftlichen Aussendung, die auch Pölzl persönlich verbreitet, ist keine Silbe der Relativierung oder des Bedauerns zu erkennen. Stattdessen legt der unbekannte Verfasser nach: Die Berichterstattung über Pölzls E-Mail zeige, dass "der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist". Denn Innenminister Kickl sei ja nicht der Auftraggeber von Pölzls "Empfehlungen", wie manche Medien nahelegten.

Auch Kanzler Kurz kritisiert die Pölzl-Äußerungen

Andere im Regierungslager versuchen den Schaden zu begrenzen: Der Leiter der Kommunikationsabteilung des Innenministeriums, Alexander Marakovits, betonte im Gespräch mit der SZ einerseits, dass es seinem Kollegen Pölzl in seiner Funktion freistehe, solche Anregungen an die Polizeidirektionen zu schicken. Allerdings räumte er gleichzeitig ein, dass Pölzls Formulierungen zu "kritischen Journalisten" eine "Einzelmeinung" darstellten und nicht die Linie des Ministeriums. Auch sprach Marakovits davon, dass manche Passagen "unglücklich formuliert" seien. Das Innenministerium benachteilige keine Journalisten, "und dabei bleibt es auch".

Inzwischen meldete sich auch Kanzler Sebastian Kurz, der mit seiner konservativen ÖVP gemeinsam mit der FPÖ koaliert. Der Regierungschef ist wie der Bundespräsident zur UN-Vollversammlung geflogen kritisierte die Pölzl-Äußerungen in einem ähnlichen Wortlaut wie Van der Bellen. "Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel", sagte Kurz. Ob es nur bei Worten bleibt, oder der Kanzler tatsächlich diesmal dafür sorgt, dass es Konsequenzen gibt, bleibt bislang offen.

Pölzl selbst antwortet der SZ schriftlich. Auf die Frage, wie er "kritische Medien" definiere, antwortet der Ministeriumssprecher: "Wie ich persönlich etwas definiere, hat nichts mit dem Vollzug im Innenministerium gemein!"

Am Dienstagabend schwenkte das Innenministerium dann doch noch auf einen eindeutigen Schadensbegrenzungs-Kurs. In einer Pressemitteilung heißt es, Innenminister Kickl habe ein "klärendes Gespräch" mit Pölzl darüber geführt, darüber, dass die "Pressefreiheit unantastbar" sei "und ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft". Christoph Pölzl habe ihm versichert, dass deren Einschränkung "in keiner Weise Intention seines Mails an die Kommunikationsleiter in den Landespolizeidirektionen war", so der Innenminister. Und weiter: "Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit 'kritischen Medien' finden nicht meine Zustimmung."

Und auch Pölzl selbst äußert sich in der Mitteilung des Ministeriums. Ausdrücklich habe er sein Schreiben nicht als Weisung verstanden, zu der er in seiner Funktion auch gar nicht berechtigt sei. "Ich bin mir aber bewusst, dass die Formulierung der kritisierten Passagen ein Fehler war, weil dadurch ein Feld für Interpretationen aufgemacht wurde. Dadurch ist eine Debatte entstanden, die das genaue Gegenteil dessen zum Ausdruck bringt, was die Kommunikation des BMI bezweckt. Das war nicht meine Absicht. Mir ist eine transparente Kommunikationspolitik gegenüber der Bevölkerung und damit natürlich auch gegenüber den unterschiedlichen Medien wichtig."

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