Als Regierungspartei gerät die FPÖ fast tagtäglich in irgendeine Klemme. Mal stürmt Parteichef Heinz-Christian Strache mutmaßlich über Österreichs außenpolitische Linien, indem er den seit zehn Jahren unabhängigen Kosovo "zweifelsohne" zu einem "Teil Serbiens" erklärt. Die Folge: Sofort muss die Dementi-Maschine angeworfen werden: war nicht so gesagt und so gemeint. Oder aber der rechte Rand wird wieder auffällig, wo immer noch manche den Arm nicht unten lassen können. Die Konsequenz: Alle müssen sich von allem distanzieren. Die Kursbestimmung also fällt nicht leicht in den neuen Zeiten. Doch eine Konstante gibt es immerhin im Repertoire der Rechtspopulisten: den Vorwurf, dass die Medien an allem schuld sind.
Ein vorläufiger Höhepunkt: Strache postete auf seiner persönlichen Facebookseite ein Bild, mit dem er dem bekannten ORF-Journalisten Armin Wolf "Lügen" vorwirft. "Das Beste aus Fake News, Lügen und Propaganda, Pseudokultur und Zwangsgebühr. Regional und international. Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF", heißt es in dem von Strache mit einem Smiley und dem Vermerk "Satire" bezeichneten Eintrag. Wolf hat ein "Pinocchio"-Bild in der Hand.
Österreich:Kurz will umstrittene Burschenschaft auflösen
Der österreichische Kanzler reagiert auf den Skandal um ein Liederbuch voller judenfeindlicher und volksverhetzender Texte der "Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt". FPÖ-Spitzenpolitiker Landbauer muss aber nicht mit Konsequenzen rechnen.
Der ORF reagierte sofort und wies die "pauschalen Anschuldigungen und Unterstellungen gegenüber seinen Redaktionen sowie gegen Wolf persönlich auf das Schärfste zurück", so ein Sprecher. Der Sender prüfe rechtliche Schritte.
Armin Wolf selbst erklärte auf Anfrage des Standard, dass er Strache verklagen werde. "In 32 Jahren als Journalist hat mir noch nie jemand vorgeworfen, ich würde in meiner Arbeit lügen. Selbstverständlich werde ich klagen und ich gehe davon aus, dass der ORF ebenfalls klagen wird", erklärte Wolf. Er sei "ehrlich fassungslos". "Die Attacken der FPÖ - einer Regierungspartei - auf unabhängige Medien und ihre persönlichen Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten erreichen mittlerweile ein demokratiepolitisch wirklich bedenkliches Ausmaß."
In den Jahren der Opposition haben sich ständige Vorwürfe an die Medien als gewinnbringende Strategie für Strache erwiesen. In der Underdog-Rolle als Opfer von vermeintlicher Hetze oder Hexenjagd haben die Freiheitlichen beim Protestwähler-Publikum gepunktet. Als Regierungspartei aber verfügt die FPÖ nun selbst über einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Medienlandschaft. Aus dem althergebrachten Poltern könnte also nun durchaus ein Konzept für eine Umgestaltung erwachsen. Ins Visier gerät dabei naturgemäß zunächst der öffentlich-rechtliche ORF. Doch ausgerüstet mit dem Selbstbewusstsein der Regierenden bekommen auch unbotmäßige Zeitungen ihr Fett weg.
Die ORF-Berichterstattung wird als parteiisch und feindselig wahrgenommen
Ein weiteres Beispiel dafür lieferte Vize-Kanzler Strache kürzlich mit der ebenfalls per Facebook verbreiteten Feststellung, dass "die Österreicher diesen Systemmedien sowieso nichts mehr glauben". Auslöser war sein Ärger darüber, dass ein paar Zeitungen einen von der FPÖ ausgerufenen Abhörskandal infrage stellten, nachdem unter dubiosen Umständen in Straches Büro wahrscheinlich Wanzen gefunden worden waren. In den Berichten war von altem Krempel die Rede, der Verfassungsschutz ist noch mit der Untersuchung des Kabelsalats befasst. Doch bei den Angriffen auf die Zweifler scheute sich der FPÖ-Chef nicht, mit der Wortwahl Anlehnungen an die Nazi-Terminologie zu nehmen, in der die "Systempresse" als Kampfbegriff herhalten musste.
Was die neue Regierung mit dem Österreichischen Rundfunk vorhat, ist derzeit noch Gegenstand vielfältiger Spekulationen. Die Kanzlerpartei ÖVP hält sich sehr bedeckt und verweist auf eine "Medienenquete", in der im März über die Zukunft debattiert werden soll. Strache selbst aber hat schon einmal Pflöcke eingerammt mit der Aussage, man wolle beim ORF "Optimierungen vornehmen, was die Objektivität betrifft". Fast täglich kommen nun Angriffe gegen die ORF-Berichterstattung, die als parteiisch bis feindselig wahrgenommen wird - und deshalb als sanktionswürdig.
Den Kurzschluss zwischen Wut und Bestrafung stellte zum Beispiel ohne Scheu der FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer her. Als er sich darüber ärgerte, dass er in einem ORF-Beitrag über einen Transitgipfel in München nicht namentlich erwähnt worden war, machte er seinen Protest auf Facebook kund mit der Schlussbemerkung: "Ob ich für Zwangsgebühren bin? Nein!" Zwangsgebühren sind für die FPÖ die Rundfunkgebühren in Höhe von jährlich 630 Millionen Euro, mit denen der ORF finanziert wird. Die Abschaffung zählt seit Langem zu den FPÖ-Forderungen, doch als Regierungspartei hatten sich die Freiheitlich in dieser Frage zunächst geschmeidig gezeigt. Im Regierungsprogramm ist von der Notwendigkeit einer "öffentlichen Teilfinanzierung" die Rede. Nun aber tönt auch Strache wieder, dass die Gebühren-Abschaffung "eines der großen Ziele in dieser Regierung" sei.
Eine Steilvorlage hat der ORF der FPÖ in diesen Tagen allerdings selbst geliefert. Das Tiroler Landesstudio sendete einen Beitrag, in dem der FPÖ-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 25. Februar, Markus Abwerzger, scheinbar ohne Widerspruch einem Bürger lauscht, der über "stinkerte Juden" spricht. Erst nach Protesten wurde eine neue Fassung gesendet, in der Abwerzger am Ende den Mann zur Ordnung ruft. Nun ist der ORF in Erklärungsnot. Intendant Alexander Wrabetz hat einen umfassenden Bericht angefordert. Strache verlangt, "jetzt muss es im ORF Konsequenzen geben".