Süddeutsche Zeitung

Nachtkritik: Maischberger:Kluger Kopf darf Kopftuch tragen

Lesezeit: 3 min

Leitkulturstreit: Die Runde von Sandra Maischberger kommt von der angeblichen Frauenfeindlichkeit des Islam nicht los. Das liegt an Alice Schwarzer. Einer aber weist auf die wahren Ursachen der Integrationsprobleme hin.

Bastian Brinkmann

Sandra Maischberger schaut in die Kamera und sagt das Thema an: "Gehört der Islam zu Deutschland?" Nöööö. Falsche Frage. Nicht der Islam kann oder kann nicht zu Deutschland gehören, sondern die Muslime. Stand doch sogar schon auf Twitter.

Trotz dieser schlechten Ausgangslage, die sich an dem umstrittenen Zitat von Bundespräsident Christian Wulff (CDU) orientiert, folgt eine Sendung, die überraschend sachlich abläuft. Überraschend deshalb, weil seit den Buchthesen des Thilo Sarrazin die Islam-Debatten vergiftet sind. Der einstige Berliner Finanzsenator und Bundesbanker hat Leute dazu ermutigt, ihre Ressentiments spazieren zu tragen. Doch bei Maischberger kommen diese nur in einem kleinen Einspieler vor. Der Islam gehöre in den Orient, schimpft eine Frau in der Straßenumfrage, das seien alles Terroristen.

Im Studio sitzen dagegen drei Frauen, die etwas zu erzählen haben. Die Filmemacherin und Autorin Güner Balci zum Beispiel, die sich mit Gewalt und Frauenfeindlichkeit in der Migranten-Community auseinandersetzt. In einem Ausschnitt ihrer aktuellen Dokumentation sagt ein angehender Abiturient, dass er den Freund seiner Schwester abknallen würde, wenn der mit ihr Sex vor der Ehe hätte. Und die Schwester gleich mit. "Ehrenmord"-Drohung im Klassenzimmer.

Neben Balci erzählt Zehra Yilmaz, warum sie ein Kopftuch trägt. Ihre Eltern, als Gastarbeiter gekommen, haben sie nicht religiös erzogen. Doch als Studentin habe sie die Ideologien durchprobiert und sich schließlich gegen den Marxismus und für den Islam entschieden. Heute arbeitet sie im Integrationsrat der Duisburger Moschee.

Und da ist Alice Schwarzer, die gerade ein eigenes Buch vorgelegt hat, das sich kritisch mit dem Islam beschäftigt. Für sie ist jedes Kopftuch eine politische Agenda, gesteuert vom Nahen Osten, um in Deutschland Frauen zu knechten. Eine gewagte These.

Moderatorin Maischberger greift zu einem roten Tuch, wedelt Schwarzer damit vor der Nase herum und fragt, ob das Stück Stoff wirklich gefährlich ist. Islamistische Agitatoren, sagt die Emma-Gründerin, würden muslimischen Eltern in Deutschland Geld geben, damit die Kinder Kopftuch tragen. Geld aus Saudi-Arabien. Schwarzer guckt die Kopftuchträgerin Yilmaz an. Die sagt: "Hä?" Das habe sie noch nie gehört. Das sei doch lange bekannt und bewiesen, entgegnet Schwarzer und verspricht Yilmaz, ihr Informationen zuzumailen.

Diese E-Mail würden noch mehr Leute gerne bekommen. Wo ist eigentlich der Fakten-Checker Frank Plasberg, wenn man ihn wirklich mal braucht?

Aber gut, die Sendung heißt ja nicht "Hart aber fair bei Maischberger", sondern "Menschen bei Maischberger". Und weil drei Menschen für fast eineinhalb Stunden Sendezeit ein bisschen wenig sind, dürfen noch drei Politiker dazustoßen.

Da ist Heinz Buschkowsky (SPD), der bekannteste Bezirksbürgermeister Deutschlands aus Berlin-Neukölln. Er redet im Gegensatz zu Sarrazin wirklich Klartext, wenn er von Sprüchen auf dem Schulhof erzählt, die Nicht-Muslime beleidigen sollen. "Isst du Schwein, bist du Schwein." Das ist nicht nur grammatikalisch bedenklich.

Dazu Hans-Christian Ströbele (Grüne), Mister Multikulti, der die Einwanderer in Schutz nimmt, als handelt es sich bei ihnen um vom Aussterben bedrohte Pandabären. Deswegen fährt Filmemacherin Balci ihn an: Sie wolle von Ströbele nicht mehr zum Opfer stilisiert werden. "Mein Vater ist freiwillig nach Deutschland gekommen, der war nie ein Opfer." Ströbele verkläre so, dass es unter den Einwanderern auch Täter gebe.

Joachim Herrmann (CSU), der bayerische Innenminister, schließlich bleibt blass. Zwar darf er ein bisschen rechts herumpoltern, als er sagt, Deutschland sei kein Einwanderungsland und die Zugezogenen der vergangenen Jahre hätten alle das Asylrecht missbraucht - doch auf diesem Niveau will in der Runde niemand mit Herrmann diskutieren.

So gut die Debatte auch die Integrationsprobleme beleuchtet und die Bringschuld der Einwanderer einfordert, so wenig kommt aber die Diskriminierung von Muslimen auf den Tisch. Yilmaz darf einmal kurz sagen, dass eine Kopftuchträgerin oft keine Wohnung bekomme und schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz habe. Ströbele darf kurz von einem islamischen Feiertag träumen.

Doch dann schwenkt die Debatte direkt wieder um zur Unterdrückung der Frau, so als ob ein kleiner Sarrazin Regie führen würde. Klartextpolitiker Buschkowsky verscheucht jedoch jeden populistischen Mief. Die ganze Misere, die Unterdrückung der Frauen, das Mobbing von Nicht-Muslimen, habe vor allem einen Grund, sagt der Sozialdemokrat: mangelnde Bildung und eine schlechte soziale Stellung. Und nicht die Religion. "Die gebildeten Muslime flüchten vor ihren Glaubensgenossen", sagt Buschkowsky.

Ihm gegenüber sitzt ein Beispiel für seine These: Yilmaz, Kopftuchträgerin und studiert, erzählt von ihrer Tochter, die kein Kopftuch anziehe, weil sie Polizistin werden wolle. Und Yilmaz ist damit voll einverstanden. Die Islam-Debatte, das hat Maischbergers Talkshow gezeigt, muss weniger religiöse Fragen stellen - und mehr soziale.

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