Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:"Keine akademische Diskussion, sondern eine konkrete Bedrohung"

Lesezeit: 2 min

Von Ralf Wiegand

Der Bundestag will sich schlau machen an diesem Mittwoch. Er hört Experten an, die etwas zu sagen haben über eine geplante Novelle des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Mitreden dürfen auch Journalisten, denn vor allem für sie und ihre Informanten, oft Whistleblower, die brisante Informationen oft aus der Finanzwelt in die Öffentlichkeit schleusen, ist es von zentraler Bedeutung, wann und wie so ein Geschäftsgeheimnis verletzt werden kann - und man sich sowohl als Informant als auch als Journalist womöglich strafbar macht.

Für Oliver Schröm, Chefredakteur des Recherchezentrums Correctiv, ist sein eigener Fall ein gutes Beispiel dafür, dass Whistleblower und Journalisten per Gesetz besser geschützt werden müssen. "Das ist keine akademische Diskussion, sondern eine konkrete Bedrohung", sagt Schröm.

Schröm ist einer der Gründer des heute etwa 30-köpfigen Rechercheteams mit Sitz in Berlin und Essen, er ist ein erfahrener investigativer Journalist, war beim Stern, bei der ARD, schreibt unter anderem für die Zeit und hat mit seinen Recherchen mehrere Bücher gefüllt. Zuletzt fiel Correctiv im Zusammenspiel mit Zeit und NDR durch eine große Recherche zum Cum-Ex-Skandal auf, jenen Geschäften, durch die vor allem Banken den Staat abkassieren. Schröm selbst recherchiert schon seit Jahren zu Cum Ex, so etwa auch 2014 noch als Redakteur für den Stern.

Und genau diese vier Jahre alte Recherche bringt ihm nun Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz und Deutschland ein. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt seit März dieses Jahres gegen den Journalisten. Verdächtigt wird er nicht eines Verstoßes gegen das Presserecht, vorgeworfen wird ihm viel mehr die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Schröm soll im Rahmen der damaligen Recherchen das Geschäftsgeheimnis einer Schweizer Bank verletzt haben. Seitdem hatte die Staatsanwaltschaft Zürich gegen ihn unter anderem wegen Wirtschaftsspionage ermittelt, er selbst mied für eine Weile auf Anraten seines Anwalts Reisen in die Schweiz.

Im März dieses Jahres baten die Schweizer ihre Kollegen in Hamburg, die Ermittlungen gegen Schröm zu übernehmen. Den Vorwurf des "wirtschaftlichen Nachrichtendiensts", den es so in Deutschland nicht gibt, ließen die Eidgenossen fallen, aufrecht erhielten sie aber die auch in Deutschland strafbaren Verletzung von Geschäftsgeheimnissen. Von diesen Ermittlungen, sagt Schröm, habe er aber erst jetzt erfahren, weil die Hamburger Behörde einen seiner Informanten in dieser Sache vernommen habe. Von der Hamburger Staatsanwaltschaft war auf Anfrage zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

"Handlanger einer interessengeleiteten Schweizer Justiz"

Schweizer Behörden reagieren seit jeher allergisch darauf, wenn sie der Ansicht sind, Geheimnisse des mächtigen Finanzplatzes seien nicht sicher. So mussten sich auch schon deutsche Ermittler, die Daten-CDs aus der Schweizer Bank auswerteten, um Steuersündern auf die Spur zu kommen, mit Ermittlungsverfahren auseinandersetzen. Immer dann, wenn Ermittler davon ausgehen, dass die Daten gezielt angefordert worden sein könnten, gehen sie diesem Verdacht konsequent nach.

"Die Ermittlungen gegen Oliver Schröm sind aus Sicht des Deutschen Journalisten-Verbandes völlig inakzeptabel", sagt Frank Überall, Vorsitzender des Verbandes. Die Hamburger Staatsanwaltschaft mache sich aus seiner Sicht zum "Handlanger einer interessengeleiteten Schweizer Justiz", wenn sie investigative Journalisten "zum Schweigen bringen" wolle. Umso wichtiger sei es, dass die geplante Gesetzesnovelle zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen die besondere Rolle der Pressefreiheit erkenne und verbindliche Schutzvorschriften festlege.

Für Oliver Schröm, dessen Recherchezentrum gemeinnützig ist und sich überwiegend aus Spenden finanziert, ist solch ein Ermittlungsverfahren vor allem eine kostspielige Sache. Schon jetzt seien Anwaltskosten in fünfstelliger Höhe angefallen. Doch immerhin zeige der Fall, wie bedeutend es sei, Journalisten, Informanten und deren Informationen zu schützen: "Schon das bestehende Recht reicht aus, um gegen Journalisten vorzugehen", sagt Schröm, "umso wichtiger ist die Anhörung zum neuen Gesetz."

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