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US-Medien:Jim Acosta bot sich für eine Strafaktion geradezu an

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Von Hubert Wetzel, Washington

Es war wohl abzusehen, dass es zwischen Donald Trump und Jim Acosta krachen würde. Der CNN-Journalist geht dem Präsidenten schon lange auf die Nerven. Acosta hält seinerseits nichts von Trump. Und so krachte es am Mittwoch im Weißen Haus.

In einer live übertragenen Pressekonferenz beschimpfte Trump den Journalisten minutenlang, er nannte ihn "eine unhöfliche, schreckliche Person", er warf ihm vor, immer nur Lügen zu berichten, und wies ihn an, das Mikrofon abzugeben und sich hinzusetzen. Acosta weigerte sich, und der Streit gipfelte darin, dass eine Praktikantin des Weißen Hauses versuchte, dem Journalisten das Mikrofon wegzunehmen. Für einen Moment zerrten beide an dem Gerät, wobei Acostas Hand kurz und eher zufällig den Arm der Praktikantin berührte. Das Weiße Haus nahm das kurz danach zum Anlass, um Acosta "bis auf Weiteres" die Akkreditierung zu entziehen, den sogenannten hard pass, der ihm freien Zugang zum Presseraum gewährt. De facto sperrte das Weiße Haus einen Journalisten aus, dessen Aufgabe als "Chief White House Correspondent" ausschließlich darin besteht, aus dem Zentrum der Macht zu berichten. Man kann das durchaus als Angriff auf die Pressefreiheit sehen.

Aber dieser drastische Schritt war eigentlich keine Überraschung. Viele Trump-Loyalisten fordern seit Langem, dass kritischen Reportern, die für angeblich linke Medien wie CNN arbeiten, die Akkreditierung entzogen werden sollte. Auch Trump selbst hat darüber laut nachgedacht. Mit seinen Anhängern kommuniziert er ohnehin nur über Twitter und Fox News. Das kurze Handgemenge zwischen Acosta und der Praktikantin gab dem Weißen Haus daher nun einen Anlass, um ein Exempel zu statuieren, auch wenn von einer echten physischen Konfrontation keine Rede sein konnte. Ein Video, das das Weiße Haus veröffentlichte, wurde offenbar sogar so bearbeitet, dass Acostas Bewegungen schneller und aggressiver aussahen.

Jim Acosta bot sich für eine solche Strafaktion geradezu an. Der 47-Jährige, dessen Vater einst aus Kuba in die USA geflohen war, hat es zu seinem Markenzeichen gemacht, Trump bei Pressekonferenzen herauszufordern. Er stellt dabei oft Fragen, die eigentlich keine echten Fragen sind, sondern als Fragen formulierte Vorwürfe oder Anschuldigungen. Wenn der Präsident dann eine Antwort verweigert, redet Acosta wie am Mittwoch einfach weiter. Der journalistische Erkenntnisgewinn solcher Duelle ist meist klein. Aber Acosta hat sich dadurch bei Trump-Kritikern den Ruf eines furchtlosen Kämpfers für die Presse- und Meinungsfreiheit erarbeitet.

Allerdings sind nicht alle Kollegen in Washington überzeugt, dass die Medien so offen im Lager der Trump-Gegner stehen sollten. "Das Problem bei Acostas journalistischer Methode ist, dass dabei nur sehr selten genug herauskommt, um entscheiden zu können, ob er nun ein beinharter Reporter ist, der sich einfach nicht abwimmeln lässt, oder nur ein Selbstdarsteller", schrieb Jack Shafer, Medienredakteur bei der Internetzeitschrift Politico, am Donnerstag. Und tatsächlich gibt es Reporter - allen voran Maggie Haberman von der New York Times und Jonathan Swan von Axios -, die viele unangenehme Dinge über Trump herausfinden und berichten, ohne sich je öffentlich mit ihm zu zoffen.

Für Trump ist Acosta eine Art Blitzableiter geworden. Bei Veranstaltungen ermuntert der Präsident seine Anhänger gerne, laut auf den Reporter - einen der "Feinde des Volkes" - einzubrüllen. Wenn Trump in Krawallstimmung ist, dann ruft er Jim Acosta auf, eine Frage zu stellen. Er weiß genau, dass ein Kampf daraus wird, der für ein paar Stunden von Dingen wie einer verlorenen Wahl und einem gefeuerten Justizminister ablenkt.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2018
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