Süddeutsche Zeitung

"The Tomorrow War" bei Amazon:Ballern gegen den Klimawandel

Lesezeit: 3 min

Chris Pratt fabriziert in "The Tomorrow War" ein deftiges Alien-Geschnetzeltes: Science Fiction für Zuschauer, die eher nicht zu "Fridays for Future" gehen.

Von Nicolas Freund

Während der Fußball-WM in Katar Ende 2022 öffnet sich ein bunter Wirbel über dem Platz und entlässt eine Gruppe schwerbewaffneter Kämpfer. Nein, kein Anschlag, ein Hilferuf. In der Zukunft wird die Erde von fiesen Raubtier-Aliens überrannt und langsam gehen die Soldaten aus, ob man nicht Verstärkung aus der Vergangenheit schicken könne? Zeitreisen wurden in dieser Zukunft zum Glück schon erfunden, es kann also gleich losgehen und Muskelpaket Chris Pratt muss zum Alien-Schnetzeln antreten. Pratt spielt einen Biologielehrer mit viel Kampferfahrung, also einen Charakter, wie es ihn nur in Filmen gibt. Wobei das mit der Biologie eigentlich auch egal ist, denn Pratt muss nur ganz kurz in der High School erklären, was Kohlenstoffdioxid ist und ansonsten vor allem Waffenmündungen in die richtige Richtung halten. Kriegt er hin, so viel darf man verraten.

Das leicht faschistoide Sci-Fi-Subgenre der "Military Science Fiction", zu dem man "The Tomorrow War" zählen kann, ist eigentlich eine einzige Entschuldigung für Gun Porn, also das hemmungslose Demonstrieren von militärischem Gerät unter dem leicht verrutschten Feigenblatt einer fantastischen Geschichte. Damit hätte es dann auch gut sein können. Aber Drehbuchautor Zach Dean und Regisseur Chris McKay, der seine Fähigkeiten schon mit "The Lego Batman Movie" und "The Lego Batman Movie 2" unter Beweis gestellt hat, wollten keinen Genre-Eskapismus-Film drehen, sondern einen ernsten Kommentar auf die Gegenwart abgeben. Deshalb darf Schauspieler Chris Pratt auch nicht machen, was er am besten kann, nämlich lustig sein. Dies ist ein sehr ernster Film, in dem es um Leben und Tod geht.

Der Held ist ein Biolehrer an einer Schule, die nach einem rassistischen Präsidenten benannt ist

Denn das alles ist, und das schreit einem der Film bei jeder Gelegenheit ins Gesicht: eine Metapher auf den Klimawandel! Weil die Menschen aus der Vergangenheit die Zukunft retten müssen. Gecheckt? Die Aliens sind das Klima und die Menschen ... ja, zugegeben, es geht nicht so ganz auf, schon alleine, weil der Klimawandel ja menschengemacht ist und die Aliens einfach so da sind, aber es ist klar, was gemeint ist. Die irre geile Grundidee: Was wäre, wenn man den Klimawandel einfach erschießen könnte?

Weil die Kämpfe gegen die grausig schön animierten, am Ende aber doch einfach bei "Alien" geklauten Außerirdischen ziemlich langweilig sind, hat man als Zuschauer viel Zeit, darüber nachzudenken, ob das jetzt eigentlich ein konservativer Film ist. Warum nochmal unterrichtet Pratts Charakter an der Woodrow-Wilson-High-School, wo man sich in den USA doch gerade darauf geeinigt hat, dass Wilson zwar mal US-Präsident, aber halt leider auch ein harter Rassist war?

Klimawandelleugner waren hier keine am Werk, aber die Aliens sollen im späteren Verlauf mit einem Gift massenweise umgelegt werden und ist diese Suche nach einer Wunderwaffe gegen den Klimawandel nicht auch so eine wirre, erzkonservative Idee? Wahrscheinlich bleibt der Film hier bewusst vage, um keine Zuschauergruppe zu sehr abzuschrecken. Am Ende kann jeder reinlesen, was er will, und um noch etwas Interessantes über dieses Werk schreiben zu können, muss jetzt am Ende kurz hart gespoilert werden, also nicht weiterlesen, wer diesen Film ernst nimmt:

Schließlich kommt also raus, dass die Aliens eigentlich nicht frisch auf der Erde gelandet sind, sondern im sibirischen Permafrost eingefroren waren und durch den Klimawandel aufgetaut wurden. Der Klimawandel ist also gewissermaßen schuld am Klimawandel. Deshalb reist die ganze Truppe um Chris Pratt wieder zurück in die Vergangenheit (oder Gegenwart, was auch immer), um zu verhindern, dass die Tiefkühl-Aliens überhaupt aufwachen. Schlaue Idee, den Klimawandel, also die Aliens, aufhalten, bevor es überhaupt losgeht. Nur geschieht das in diesem Film nicht, indem das Schmelzen des Eises gestoppt wird, nein, es werden einfach die Aliens vergiftet, in die Luft gejagt, erschossen und verprügelt. Am Ende ist die Alien-Invasion aufgehalten - und der Gletscher schmilzt trotzdem. Mission erfolgreich. Oder?

The Tomorrow War , USA 2021 - Regie: Chris McKay. Buch: Zach Dean. Kamera: Larry Fong. Mit: Chris Pratt, Yvonne Strahovski, J. K. Simmons. Amazon, 138 Minuten.

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