Süddeutsche Zeitung

Ehrung für Missak Manouchian:Ein Kommunist im Panthéon

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Der armenische Dichter Missak Manouchian wurde 1944 von Nazis hingerichtet. Jetzt wird er ins Panthéon aufgenommen - als erster ausländischer Widerstandskämpfer.

Von Léonardo Kahn

Die "Panthéonisation" ist die größte Ehrung, die Frankreich zu vergeben hat. In der Pariser Ruhmeshalle ruhen unter anderem Victor Hugo, Voltaire, Émile Zola, Marie Curie und seit 2021 auch Josephine Baker - historische Figuren, die die französische Kultur und Identität geprägt haben.

Dass Emmanuel Macron am Sonntag die Beisetzung des armenischen Dichters Missak Manouchian und seiner Frau Mélinée ins Panthéon verkündet hat, sehen daher viele Historiker als überfällige Anerkennung der Rolle kommunistischer und ausländischer Partisanen in der Résistance. "Mit Manouchian ziehen alle Armenier, Italiener, Spanier und mitteleuropäische Juden ins Panthéon, die für die Befreiung ihr Leben gelassen haben", sagt der Historiker Denis Peschanski. Manouchians Asche soll am 21. Februar überführt werden, achtzig Jahre nach seiner Hinrichtung auf dem Mont Valérien. Er wäre damit der erste Kommunist und migrantische Widerstandskämpfer in der Ruhmeshalle.

Missak Manouchian ist 1924 vom Völkermord an den Armeniern nach Frankreich geflohen. Sein Vater wurde von türkischen Gendarmen hingerichtet, als Manouchian neun war, kurze Zeit später starb seine Mutter an Hunger. Mit 19 Jahren überquerte er das Mittelmeer und arbeitete in Paris in einer Citroën-Fabrik, in deren Gewerkschaft er sich politisierte.

Zu der Zeit suchten viele Armenier Zuflucht in der französischen Hauptstadt. Sie gingen zu Universitäten, gründeten Zeitungen und organisierten sich politisch. Manouchian gründete eine armenische Literaturzeitschrift, für die er Baudelaire und Rimbaud übersetzte, nebenher schrieb er Gedichte. 1934 trat er der Kommunistischen Partei bei, wo er in einem armenischen Arbeitskreis Mélinée kennenlernte, seine künftige Frau. Auch ihre Familie ist im Genozid gestorben.

1941 schlossen sich beide dem Widerstand gegen die NS-Besatzung an, weil er das Land, das ihn beschützt hatet, nun selbst beschützen müsse, wie er später schrieb. Der Dichter wurde an die Spitze des Pariser Netzwerks FTP-MOI befördert, eine Gruppe, in der vor allem Armenier, Italiener, Spanier und verfolgte Juden organisiert waren. 1943 verübten sie insgesamt dreißig Anschläge auf SS-Stützpunkte im Großraum Paris.

Als die Gruppe im Februar 1944 aufflog und in einem Scheinprozess verhört wurde, wandte sich der Dichter an die Kollaborateure und sagte den berühmten Satz: "Ihr habt die französische Staatsbürgerschaft nur geerbt, wir haben sie uns verdient." Drei Tage später wurde er auf dem Mont Valérien mitsamt 21 seiner Genossen hingerichtet - dort, wo Macron am Sonntag seine Beisetzung im Pantheon verkündet hat.

"Ich bin sicher, dass das französische Volk und alle Freiheitskämpfer unser Andenken mit Würde ehren werden", schrieb Manouchian seiner Frau Melinée kurz vor seinem Tod. Und er hatte Recht. Die "Groupe Manouchian" ist heute für viele Franzosen ein Inbegriff der Résistance, was paradoxerweise der NS-Propaganda zu verdanken ist. Die deutschen Besatzer haben ihre Gesichter auf einem berühmt gewordenen "Affiche rouge", zu Deutsch "das Rote Plakat", tausendfach ausgedruckt und ausgehängt.

Was als Mahnung gedacht war, wurde zum Symbol des französischen Freiheitskampfes. Die Pariser beschmierten die Plakate, legten Blumen nieder und schrieben in großen Lettern "morts pour la France", "gestorben für Frankreich". Der Dichter Louis Aragon schrieb ein Gedicht über die Widerstandgruppe, das dank des Sängers Léo Ferré Einzug in den Chanson-Kanon fand. "Manouchian ist durch die Poesie schon vor sechzig Jahren in das Kollektivgedächtnis der Franzosen eingezogen," so der Historiker Peschanski, und das sei bedeutsamer als der Einzug in das Panthéon. Heute noch wird das Lied regelmäßig neu interpretiert.

Obwohl der Widerstandskämpfer Ausländer und Kommunist war, wird seine Beisetzung im Panthéon parteiübergreifend unterstützt, selbst im rechtskonservativen Lager. "Das ist nicht selbstverständlich", betont der Historiker Peschanski: "Aber ich bin froh darüber, überrascht zu sein."

Missak Manouchian stehe für eine Epoche, in der nicht "in Schubladen" gedacht wurde, so Peschanski. Er war zwar Armenier, aber identifizierte sich stark mit der Geschichte Frankreichs, die Revolution, Vordenker der Aufklärung, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte.

Da er Kommunist und Internationalist war, unterschied er in seinen Werken immer stark zwischen den Nazis und den Deutschen. In seinem Abschiedsbrief an Mélinée schrieb er: "Das deutsche Volk und alle anderen Völker werden nach dem Krieg, der nicht mehr lange dauern wird, in Frieden und Brüderlichkeit leben. Glück an alle." Ein halbes Jahr nach seiner Hinrichtung wurde Paris von den Nazis befreit.

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