Süddeutsche Zeitung

Pixars "Luca" bei Disney+:La Dolce Vita

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Der Pixar-Film "Luca" erzählt von zwei Meereswesen-Teenagern, die sich in Menschen verwandeln - zum Glück am italienischen Strand.

Von Josef Grübl

Es ist erst ein paar Wochen her, da strandete in Kalifornien ein Seeungeheuer. Die leblose Kreatur sah aus wie aus einer anderen Welt, pechschwarz und plattgedrückt, mit Reißzähnen und einer langfingrigen Extremität. Nach ausgiebiger Untersuchung konnten führende Alien- und Riesenkalmarenexperten die Menschheit jedoch beruhigen: Das Ungeheuer war ein fehlgeleiteter Anglerfisch, von denen es in tausend Metern Meerestiefe gar nicht so wenige gibt. Und die Langfinger-Extremität war eine Art Laterne am Kopf, wie man sie von den Tiefseefischen aus dem Pixar-Film "Findet Nemo" kennt.

Womit wir auch beim jüngsten Streich der kalifornischen Animationsschmiede wären: "Luca" erzählt von Seeungeheuern, die ebenfalls stranden, dabei aber alles andere als leblos sind. Da Pixar-Produktionen immer auf ein großes Familienpublikum zielen, sehen diese Seeungeheuer auch nicht so aus wie der tote Anglerfisch vom Strand. Genaugenommen sind sie sogar sehr süß, bunt und quirlig. Andersartigkeit war bei Pixar nie ein Makel, sondern eher Anlass, um über eigene Vorurteile nachzudenken. Mit ihren Filmen haben die Trickkünstler jedenfalls viel getan für Glubschaugen-Gestalten ("Die Monster AG"), Ratten ("Ratatouille"), Teenager-Nerds ("Onward") oder depressive Seelen ("Soul"). Jetzt also kümmern sie sich um das Image von Seeungeheuern, das ihre Kollegen aus Hollywood über Jahrzehnte hinweg ruiniert haben.

Sobald sie mit Wasser in Berührung kommen, verwandeln sie sich zurück

Der Titelheld Luca lebt mit seinen überfürsorglichen Seeungeheuer-Eltern in einer italienischen Küstenregion. Er schwimmt stets dieselben Bahnen und sehnt sich wie jedes Kind nach Abenteuern. Die kriegt er auch, als er den Draufgänger Alberto kennenlernt, der ihm nur allzu gerne ein Geheimnis verrät: Seeungeheuer wie sie werden zu Menschen, wenn sie das Wasser verlassen. Und in der Tat sind Luca und Alberto an Land von anderen Kindern kaum zu unterscheiden. An Land lernen sie das kesse Menschenmädchen Giulia samt ihrem einarmigen Fischer-Vater und dessen schnauzbärtigem Kater kennen. Natürlich dürfen die neuen Freunde auf keinen Fall etwas von ihrer Seeungeheuer-Existenz erfahren. Was nicht ganz einfach ist, da schon bald Lucas ebenfalls verwandelte Eltern im Küstenstädtchen auftauchen. Sie suchen ihren Sohn, wissen aber nicht, wie er in Menschengestalt aussieht. Also kippen sie jedem Kind, das ihnen über den Weg läuft, Wasser über den Kopf: Falls es sich zurück in ein Seeungeheuer verwandelt, muss es Luca sein.

Das ist lustig und liebevoll erzählt, die Postkartenbilder des Fünfzigerjahre-Italiens sind schön anzusehen und sorgen für nostalgisches Flair. Das Spielfilmdebüt des Italieners Enrico Casarosa, der seit Jahren für Pixar arbeitet, ist kindliche Heldenreise und Sommerferienabenteuer zugleich. Kinder werden also viel Spaß damit haben, und nur erwachsene Schlaumeier erkennen Parallelen zu den Filmen des japanischen Anime-Großmeisters Hayao Miyazaki, zu seinem Fisch-wird-Mädchen-Märchen "Ponyo" etwa, oder dem Italien-Abenteuer "Porco Rosso". Dass die Kleinstadt, in der Luca, Alberto und Giulia den besten Sommer ihres Lebens verbringen, Porto Rosso heißt, sollte daher unbedingt als Miyazaki-Referenz verstanden werden.

In die Flut der sich stauenden Filme, die auf die Wiedereröffnung der Kinos warten, wird sich "Luca" nicht einreihen. Da Pixar schon vor Jahren vom Disney-Konzern aufgekauft wurde, hat man sich dort entschieden, den Film direkt auf dem Streamingdienst Disney+ auszuspielen.

Luca , USA 2021 - Regie: Enrico Casarosa. Mit den Originalstimmen von: Jacob Tremblay, Jack Dylan Grazer, Maya Rudolph. 95 Minuten, ab 18. Juni bei Disney+.

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