Süddeutsche Zeitung

Hollywood und Corona:Blockbusterpause

Lesezeit: 3 min

Amerikanische Kinos und Hollywoodstudios ächzen unter den Folgen der Pandemie, es fehlt an Perspektiven - und damit auch an neuen großen Filmprojekten.

Von Susan Vahabzadeh

Eigentlich dürften in den USA viele Filmtheater längst den Betrieb wieder aufnehmen. Doch schon bevor in der vergangenen Woche, nach dem Tod von George Floyd, die Protestzüge durch die Straßen zu ziehen begannen, haben viele Kinos von der Erlaubnis zur Wiedereröffnung keinen Gebrauch gemacht. Die Gründe dafür blieben bestehen, selbst wenn das Land wieder zur Ruhe käme.

Erstens sind die Vorstellungen, nur unter Sicherheitsauflagen erlaubt, nicht sehr rentabel; zweitens ist ungewiss, wie viele Leute denn nun tatsächlich kämen. Die USA haben die Infektionen mit dem Coroanvirus keineswegs im Griff. Dazu gesellt sich ganz neues Problem: Manche wissen schlicht nicht, was sie zeigen sollten.

Kinos, die sonst auf die großen Blockbuster setzen, bleiben geschlossen, weil die Studios die Filme, die jetzt laufen sollten, auf den Herbst verschoben haben, "Black Widow" etwa oder den neue James-Bond-Film "No Time to Die". Das verzögert den Effekt etwas, den die Drehstopps in aller Welt auf die Filmbranche haben werden.

Die Streaming-Dienste machen der Branche zu schaffen, dieses Problem hat sich jetzt verschärft. Die Agenturen Performance Research und Full Circle haben Mitte Mai eine Studie mit 1000 Teilnehmern durchgeführt, um herauszufinden, was von der Wiedereröffnung von Spielstätten zu erwarten ist. Nur 13 Prozent der Befragten gaben an, sich fürs Kino zu entscheiden, wenn sie die Wahl haben, sich neue Filme für denselben Preis auch vom Sofa aus anzusehen, 17 Prozent waren unentschlossen - und 70 Prozent gaben an, definitiv zu Hause zu bleiben und die Filme zu streamen.

Die großen Stars können auch Jahre durchhalten, ohne zu arbeiten - aber der Rest?

Die Agenturen haben auch das mutmaßliche zukünftige Verhalten der Zuschauer in den Blick genommen, und 60 Prozent der Befragten gaben an, wohl für lange Zeit große Menschenansammlungen aus Angst zu meiden.

Nun sind die USA von der Pandemie viel härter betroffen als Deutschland, und die Angst mag größer sein. Der Faktor Film aber betrifft auch die deutschen Kinos. Denn die wirtschaftliche Unsicherheit und die Angst vor einem Ausbruch am Dreh beeinflusst auch die Produktionen der Zukunft, die ja auch in Deutschland bislang einen wesentlichen Teil der gezeigten Filme ausmachen. Auch in Deutschland können sich Produzenten, die nun wieder drehen wollen, gegen einen coronabedingten Drehausfall nicht versichern, die Branche fordert einen Ausfall-Fonds. In den USA aber, wo ohne Versicherung überhaupt nicht gedreht wird, ist auch, was das angeht, die Situation noch ein wenig verzwickter: Eine ganze Reihe großer Produktionsfirmen, Imagine Entertainment etwa, haben schon Kündigungen ausgesprochen.

Staatliche Subventionen sind in der amerikanischen Filmbranche deutlich geringer, und die Versicherer müssen dort wohl für viele Drehausfälle in den letzten Monaten schon bezahlen, weil dem Branchenblatt Variety zufolge die bisherigen Policen keine Klausel hatten, die den Pandemiefall ausschließen. Schon jetzt sollen die Versicherer für mindestens 300 bis 500 Millionen Dollar geradestehen. Neue Drehs wollen sie nun keinesfalls so versichern, dass ein coronabedingter Abbruch abgedeckt würde - und das hieße für die Studios, dass sie für Riesenprojekte, die 200 Millionen Dollar und mehr kosten, das Risiko eines weiteren Drehstopps ganz allein tragen müssten.

Die Sicherheitsauflagen für Dreharbeiten sind schwerer einzuhalten, je größer die Crews, je weiter verstreut die Drehorte sind, alles wird teurer und schwieriger. Und auch die Auflagen sind keine Garantie, dass es am Set keinen Ausbruch gibt. Variety zitiert einen Regisseur, der nicht namentlich genannt werden will, den sein Studio zwar losgeschickt hat, einen Dreh vorzubereiten, der das aber für unverantwortlich hält, bis es eine Impfung gegen Covid-19 oder wenigstens eine Behandlung gebe. Den Glauben, man könne bei einem Dreh Abstand halten, hält er für ignorant. Und die Frage ist ja auch, wer da überhaupt mitmacht. Denn Hollywood ist eine zutiefst von sozialer Ungleichheit geprägte Branche, in der viele kellnern, sofern sie das können, um zu überleben. Die großen Stars aber können jahrelang ohne Arbeit ausharren und werden sich nicht unbedingt selbst in Gefahr bringen.

Die Studios haben in den letzten Jahren vorwiegend auf Blockbuster gesetzt, aber gerade die sind jetzt ein Risiko. Eigentlich haben die großen Projekte in einer Rezession auch die größeren Überlebenschancen. Aber man kann es wohl auch anders sehen: Es gäbe jetzt gute Chancen für Filme, die mit kleiner Crew gedreht werden können, Kammerspiele etwa, zitiert Variety einen Studio-Angestellten, der auch nicht namentlich genannt werden wollte.

Das ist so ziemlich das Letzte, was man bei den großen Major-Studios, die an der Superheldenflut gut verdient haben, hören will.

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SZ vom 04.06.2020
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