Süddeutsche Zeitung

Kinder- und Jugendliteratur:Solide, aber ein wenig verzagt

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In den Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis vermisst man einige Höhepunkte des vergangenen Bücherjahrs.

Von Kathleen Hildebrand

Keine Frage, es stehen tolle Bücher auf der Nominiertenliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis, der im Oktober bei einer großen Veranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse verliehen wird. Die Jury - neun Expertinnen aus den Universitäten, der Pädagogik und den Medien haben in den Sparten Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und Sachbuch jeweils sechs Titel ausgewählt, die sie zu den Besten des vergangenen Jahres zählen.

Bei vielen nickt man innerlich heftig mit dem Kopf: Die Kinder-allein-zu-Haus-Abenteuergeschichte "Ellie & Oleg" (Klett Kinderbuch) von Katja Ludwig ist ein Juwel. Der Comic "Trip mit Tropf" von Josefine Mark (Kibitz) über ein Kaninchen in der Chemotherapie, der mit einem raubeinigen Wolf auf Reisen geht, passt zwar vielleicht besser in die Sparte Kinderbuch, gehört aber zum Besten, was es gerade im Jugendcomic zu lesen gibt. Die Autorin und Zeichnerin ist selbst Krebspatientin, erzählt aber mit irrem Humor von der Krankheit und schafft wunderbare Tiercharaktere.

Auch die aktuelle Wiederkehr des Themenromans ist mit herausragenden Werken aus der Sparte Jugendbuch abgebildet. Der Versroman "Die Sonne, so strahlend und schwarz" ächzt nicht unter den vielen Problemen, die Chantal-Fleur Sandjon in ihm beschreibt: Gewalt in der Familie, Queerness, Rassismus und ist formal sehr ambitioniert. "Henny & Ponger" von Nils Mohl ist eine tolle Außenseitergeschichte.

Vor allem Riskantes und Lustiges fehlt weitgehend

Und im Bereich Bilderbuch konnte die Jury ohnehin spürbar aus dem Vollen schöpfen: Da ist das kribbelbunte Silent Book "Spinne spielt Klavier", das ohne Text von Geräuschen erzählt von Benjamin Gottwald, die tolle Freundschaftsgeschichte "Frank und Bert" von Chris Naylor-Ballesteros, und das wunderbar komische Zählbuch "Wie man bis eins zählt" von Caspar Salmon und Matt Hunt. Auch die originelle Tiergeschichte "Konrad Kröterich und die Suche nach der allerschönsten Umarmung" von Oren Lavie und Anke Kuhl steht hier völlig zurecht.

Und doch: Gerade in den Sparten Kinder- und Sachbuch, auch im Jugendbuch, vermisst man ein paar Höhepunkte des vergangenen Bücherjahres. Vor allem Riskantes und Lustiges fehlt wie das originelle "Bosco Rübe rast durchs Jahr" (mairisch) über die Weltwahrnehmung eines Dreijährigen von Finn-Ole Heinrich und Dita Zipfel oder "Als Papas Haare Ferien machten" von Jörg Mühle.

In der Sachbuchsparte ist zwar das sehr gute Expeditionsbuch "Ins ewige Eis!" von Agata Loth-Ignaciuk (Text) und Bartłomiej Ignaciuk (Illustration) nominiert, aber "Das Buch vom Dreck", ebenfalls aus dem Gerstenberg Verlag, erscheint rückblickend doch noch preiswürdiger, weil origineller und einprägsamer.

Ein Blick in die Bestenauswahl der Jugendjury, die sich aus mehreren Leseclubs von Buchhandlungen zusammensetzt, ist da fast interessanter. Dort steht zum Beispiel der hervorragende Jugendroman "Feuerwanzen lügen nicht" von Stefanie Höfler (Beltz & Gelberg) über die Frage, was es heißt, arm zu sein. Ein Buch, das unbedingt auch in den Kritiker-Nominierungen hätte auftauchen können. Oder die überraschenden "Future Fairy Tales" von Holly-Jane Rahlens, die klassische Märchen in Zukunftsszenarien verwandeln.

Bei allem lobenswerten Problembewusstsein, das die Jugendbuchpreis-Jury mit ihren Nominierungen beweist: Ein klein wenig mehr Risiko und Humor hätten ihrer Auswahl gut getan.

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